2.1 Wesen der Erhaltungsrücklage

Anspruch auf Bildung einer Erhaltungsrücklage

Die Bildung einer Erhaltungsrücklage stellt nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG ein Regelbeispiel einer Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung dar. Ist demnach eine Erhaltungsrücklage (noch) nicht gebildet, hat jeder Wohnungseigentümer nach §§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG Anspruch auf entsprechende Beschlussfassung. Ihrem Wesen nach stellt die Erhaltungsrücklage nämlich ein Ansparsondervermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dar, um durch Abnutzung und Überalterung erforderliche Erhaltungsmaßnahmen finanzieren zu können sowie auch die kurzfristige Finanzierung dringend erforderlicher Erhaltungsmaßnahmen sicherzustellen. Durch die langfristige Ansparung eines zweckgebundenen verfügbaren Vermögens wird sichergestellt, dass kurzfristige Sonderumlagen nicht erforderlich sind und damit keine kurzfristigen finanziellen Engpässe bei einzelnen finanzschwachen Wohnungseigentümern entstehen.[1]

Gemeinschaftsvermögen

Die Erhaltungsrücklage gehört zum Gemeinschaftsvermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 9a Abs. 3 WEG). Im Fall eines Eigentümerwechsels besteht deshalb kein Anspruch des ausscheidenden Wohnungseigentümers auf Auskehr "seines Anteils" an der Rücklage. Ein solcher existiert nämlich nicht.[2] Die Erhaltungsrücklage bleibt also im Fall des Eigentümerwechsels im Gemeinschaftsvermögen.[3]

 

Keine Verrechnung mit Hausgeldrückständen

Die Wohnungseigentümer können auch nicht dergestalt über die Mittel der Erhaltungsrücklage verfügen, dass im Fall von Hausgeldausfällen einzelner Wohnungseigentümer ein Beschluss über die Verrechnung der Rückstände mit einem anteiligen Rücklagenguthaben gefasst werden kann. Da die Erhaltungsrücklage dem Vermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zugeordnet ist und der einzelne Wohnungseigentümer hieran keinen Anteil hat, wäre ein derartiger Beschluss mangels Beschlusskompetenz nichtig.[4]

Hieraus folgt weiter, dass die Wohnungseigentümer auch keinen Anspruch auf Darstellung ihres Anteils im Rahmen der Jahresabrechnung oder im Vermögensbericht haben.[5]

Pfändung der Erhaltungsrücklage

Gläubiger eines einzelnen Wohnungseigentümers können nicht dessen Anteil an der Erhaltungsrücklage pfänden,[6] was insbesondere auch mit Blick auf die beschränkte Teilhaftung gemäß § 9a Abs. 4 WEG von Bedeutung ist. Allerdings können Gläubiger der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rahmen der Zwangsvollstreckung auf die Erhaltungsrücklage zugreifen, auch wenn der Anspruch nicht aus einer Erhaltungsmaßnahme resultiert.[7]

Darstellung im Vermögensbericht

Die Darstellung des Stands der Erhaltungsrücklage stellt nach § 28 Abs. 4 WEG u. a. einen zwingenden Bestandteil des Vermögensberichts dar (siehe vertiefend Erstellung der Jahresabrechnung und des Wirtschaftsplans (ZertVerwV), Kap. 5.5).

Weitere Rücklagen

Seit Inkrafttreten des WEMoG können die Wohnungseigentümer auf Grundlage von §§ 19 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 WEG auch weitere Rücklagen insbesondere zur Finanzierung baulicher Veränderungen des Gemeinschaftseigentums oder auch für Klagen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bilden.

2.2 Angemessenheit

Den Wohnungseigentümern ist im Rahmen der Bemessung der Rücklagenhöhe ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, der nur bei erheblicher Unter- oder Überschreitung ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht.[1] Kriterien für die Bemessung der Höhe der Rücklage sind

  • Alter,
  • Zustand,
  • Ausstattung,
  • Erhaltungsbedarf in der Vergangenheit und
  • prognostizierter zukünftiger Erhaltungsbedarf.

Anhaltspunkte für die Bemessung der Erhaltungsrücklage bieten

  • zum einen § 28 Abs. 2 II. BV,
  • zum anderen die sog. "Peters'sche Formel" und schließlich
  • die "v. Hauff'sche Formel".

2.2.1 § 28 Abs. 2 II. BV

Die Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (Zweite Berechnungsverordnung – II. BV)[1] dient der Wirtschaftlichkeitsberechnung von Wohnraum. Anwendungsbereiche sind der soziale Wohnungsbau und der steuerbegünstigte freie Wohnungsbau. Allerdings werden die Regelungen der II. BV in der Praxis über die genannten Bereiche hinaus angewandt, so u. a. im Bereich des Wohnungseigentums als Bemessungsgrundlage für die Höhe einer angemessenen Erhaltungsrücklage. In ihrer derzeitigen Fassung geht § 28 Abs. 2 II. BV von Instandhaltungskosten pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr bei zurückliegender Bezugsfertigkeit

  • von weniger als 22 Jahren von höchstens 7,10 EUR,
  • von mindestens 22 Jahren von höchstens 9,00 EUR,
  • von mindestens 32 Jahren von höchstens 1...

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