Entscheidungsstichwort (Thema)

Reduzierung der Anzahl von Ferienwohnungen durch Erbbaurechte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn eine Gemeinde dafür Sorge tragen will, dass nicht schon Personen mit einem Durchschnittseinkommen weitgehend vom Wohnungsmarkt auf ihrem Gebiet ausgeschlossen sind, so dass vorhandener Wohnraum im Wesentlichen für Zweit- oder Ferienwohnungen genutzt würde, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Erbbaurechte mit einer Nutzungsbeschränkung i.S.d. § 2 Nr. 1 ErbbauRG auszugeben, wonach die Objekte durch den Erbbaurechtsinhaber als Hauptwohnsitz zu nutzen sind.

2. Ein formularmäßiger Erbbaurechtsvertrag mit diesem Inhalt kann auch dann der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten, wenn die Nutzungsbeschränkung unbefristet für die Laufzeit des Erbbaurechts gilt und an einen Verstoß der Heimfallanspruch der Eigentümerin geknüpft wird.

3. Bei der Ausübung des Heimfallanspruchs hat die Gemeinde als Teil der staatlichen Verwaltung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

4. Die gesetzliche Verjährungsfrist für den Heimfallanspruch nach § 4 ErbbauRG kann auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen verlängert werden.

 

Normenkette

ErbbauV § 2 Nrn. 1, 4, § 4; BGB §§ 242, 307

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Urteil vom 30.01.2014; Aktenzeichen 7 O 98/12)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.06.2015; Aktenzeichen V ZR 144/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30.1.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Flensburg geändert.

Der Beklagte wird verurteilt,

1. zu erklären, dass das Wohnungserbbaurecht an dem Grundstück Gemarkung Westerland, (...), verbunden mit den im Aufteilungsplan Nr. 3 bezeichneten Räumen ..., 25980 Sylt/Westerland, eingetragen im Wohnungserbbaugrundbuch von Westerland des AG Niebüll, Blatt (...), auf die Klägerin übertragen wird, und zu bewilligen, dass das Grundbuch entsprechend umgeschrieben wird,

2. das in dem vorgenannten Antrag zu Ziff. 1 genannte Erbbaugrundstück zu räumen und geräumt herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich der Hauptsache durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Er darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht als Grundstückseigentümerin einen Heimfallanspruch gegen den Beklagten geltend, weil dieser als Wohnungserbbauberechtigter gegen die Vorschriften im Erbbaurechtsvertrag zur Nutzung des Bauwerkes verstoßen habe.

Die Klägerin ist die durch Zusammenschluss mit anderen Gemeinden hervorgegangene Rechtsnachfolgerin der Stadt Westerland. Mit Kaufvertrag vom 14.6.2005 hatte die Stadt Westerland von der Bundesrepublik Deutschland die Flurstücke (...), Gemarkung Westerland, erworben. Die Grundstücke sind jeweils mit einer Reihenhauszeile mit vier Einheiten bebaut. Die betroffene Reihenhauszeile auf dem Flurstück (...) mit den Postanschriften ... wurde ca. 1955 errichtet und befindet sich etwa 1,4 km von der im Zentrum von Westerland gelegenen Friedrichstraße sowie etwa 600 m vom Strand entfernt (S. 7, 9 des Parteigutachtens R., Bl. 154, 156 d.A.).

Mit notariellem Erbbaurechtsvertrag vom 15.12.2005 (UR-Nr. 544/2005 des Notars E., Anlage K 2, Bl. 13 ff. d.A.) bestellte die Stadt Westerland durch ihren städtischen Eigenbetrieb Kommunales Liegenschafts-Management (KLM) für sich selbst ein Erbbaurecht an dem Flurstück (...) mit einer Laufzeit von 99 Jahren. Sie beabsichtigte, das Erbbaurecht in vier Wohnungserbbaurechte (für jede "Hausscheibe" nebst dazugehöriger unbebauter Fläche eines) aufzuteilen und diese an die derzeitigen Mieter oder sonstige Dritte zu veräußern. § 5 des Erbbaurechtsvertrages lautet auszugsweise:

"§ 5 Verwendung des Bauwerkes

1. Der Berechtigte ist verpflichtet, das Bauwerk unter Ausschluss jeder anderen Verwendung wie folgt zu verwenden:

Wohngebäude für den Wohnungserbbauberechtigten und die evtl. in seinem Haushalt lebenden Familienangehörigen und/oder Lebenspartner/in zu Dauerwohnzwecken (räumlicher Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse = Hauptwohnsitz im Sinne des Landesmeldegesetzes).

Der Eigentümer bezweckt mit der Vergabe des Erbbaurechts die Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung, insbesondere von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen. Dem Berechtigten ist bekannt, dass der Eigentümer ihm das Erbbaurecht nur zu dem vorstehenden Verwendungszweck einräumt. Er ist verpflichtet, es ausschließlich für diesen Zweck zu nutzen und diese Nutzung auf Verlangen jederzeit nachzuweisen.

(...)".

In §§ 12 und 13 ist auszugsweise Folgendes geregelt:

"§ 12 Verfügungsbeschränkungen

1. Der Berechtigte b...

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