Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergaberecht: Fehlender Vergabevermerk der Vergabestelle zur Schwellenwertermittlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Überschreitung des maßgeblichen Schwellenwerts ist eine Anwendungsvoraussetzung des vergaberechtlichen Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahrens und daher jederzeit von Amts wegen zu prüfen. Auf ("rechtzeitige") Vergaberügen oder die faktische Durchführung eines Vergabeverfahrens kommt es insoweit nicht an.

2. Eine Vergabe, deren Wert (objektiv) die Schwellenwerte nicht erreicht, kann nicht dadurch zulässiger Gegenstand eines Nachprüfungs- oder Beschwerdeverfahrens werden, dass ein Beteiligter - bewusst oder unbewusst - eine diesbezügliche Rüge unterlässt.

3. Die Vergabestelle hat den geschätzten Auftragswert in einem Vergabevermerk festzuhalten. Für die Schätzung ist der Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens maßgeblich. Im Interesse des Transparenzgebots muss die Schätzung spätestens bis zur Mitteilung nach § 13 VgV vermerkt werden.

4. Fehlt eine Schätzung des Auftragswerts durch die Vergabestelle, kann diese durch die Vergabekammer oder den Vergabesenat erfolgen. Dabei ist von dem nach dem objektiven Empfängerhorizont festzustellenden Auftragsumfang auszugehen.

5. Bei freiberuflichen Leistungen beeinflussen im Wettbewerbsverfahren erbrachte Leistungen die Schwellenwertberechnung nicht.

6. Im Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff. GWB sind die Kostenbestimmungen in § 155 VwGO entsprechend anwendbar. Der Vergabestelle können entsprechend § 155 Abs. 4 VwGO die Kosten des Nachprüfungs- bzw. Beschwerdeverfahrens auferlegt werden, wenn sie durch eine rechtzeitige und klare Festlegung der Berechnungsgrundlagen für die Schätzung des Auftrags-/Schwellenwertes in einem Vergabevermerk das Verfahren hätte vermeiden können und der Nachprüfungsantrag im Übrigen zulässig ist.

7. Im Rahmen des § 155 Abs. 4 VwGO kann auch vorprozessuales Verhalten oder Unterlassen Berücksichtigung finden.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Schleswig-Holstein (Beschluss vom 13.01.2003; Aktenzeichen VK-SH 19/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss der Vergabekammer Schleswig-Holstein vom 13.1.2003 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähigDer Streitwert beträgt 10.031 Euro.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Vergabe eines Auftrags über Architektenleistungen. Die Vergabestelle beteiligte fünf Architekturbüros an einem beschränkten Wettbewerb. Als Kostenrahmen war eine Summe von insgesamt 3,8 Mio Euro brutto angegeben.

Nach Vorprüfung der eingegangenen Entwürfe erkannte das Preisgericht den Beigeladenen den ersten Preis zu. Der Entwurf der Beschwerdeführer (Bf.) wurde als "Ankauf" ("Nachrücker") gewertet. Die Bf. erhoben gegen das Preisgerichtsverfahren Rügen; die Vergabestelle gab anschließend ihre Absicht bekannt, den ersten Preisträger zu beauftragen.

Den dagegen gerichteten Nachprüfungsantrag hat die Vergabekammer zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Bf. blieb erfolglos, allerdings bei Kostenlast der Vergabestelle.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Beteiligten streiten um die Vergabe eines Auftrags über Architektenleistungen für ein Textil- und Industriemuseum in N.

Die Beschwerdegegnerin (Bgg.) beteiligte an einem beschränkten Hochbauwettbewerb fünf Architekturbüros. Erwartet wurde ein Entwurf auf der Grundlage eines Raumprogrammes und einer Kostenschätzung. Für Honorar und Preise standen 50.000 Euro zur Verfügung.

Als Kostenrahmen für das Museum war eine Summe von insgesamt 3,8 Mio Euro brutto angegeben. In Textziffer 13 der Ausschreibung hieß es:

"Der Auslober will die weitere Ausarbeitung der Planung und die Ausführung - dem ersten Preisträger unter den in der GRW 7.1 genannten Voraussetzung übertragen ..."

Zum Wettbewerb wurden die Beschwerdeführer (Bf.) sowie - u.a. - die Beigeladenen (Beig.) eingeladen. Die Beig. hatten bereits im Oktober 2001 eine Honorarberechnung für das Museum am Standort Kleinflecken bei der Bgg. eingereicht.

Am 20.3.2002 führte die Bgg. mit den Wettbewerbsteilnehmern ein Rückfragekolloquium durch. Nach Vorprüfung der eingegangenen Entwürfe erkannte das Preisgericht in seiner Sitzung vom 16.5.2002 den Beig. den ersten Preis zu. Der Entwurf der Bf. wurde als "Ankauf" - mit dem Zusatz "Nachrücker" - gewertet.

Mit Schreiben vom 27.5.2002 rügten die Bf. das Preisgerichtsverfahren hinsichtlich der - wie sie meinten - fehlerhaften Beurteilung der Kosten. Die Bgg. wies die Rüge zurück.

Mit Schreiben vom 26.11.2002 informierte die Bgg. die Bf. über ihre Absicht, den ersten Preisträger zu beauftragen.

Der dagegen gerichtete Nachprüfungsantrag ging am 9.12.2002 bei der Vergabekammer ein. Diese hat den Antrag mit Beschluss vom 13.1.2003 als unzulässig zurückgewiesen.

Wegen des Sachvortrags der Beteiligten vor der Vergabekammer und der Gründe des Beschlusses vom 13.1.2003 wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf den Beschluss der Vergabekammer Bezug genommen.

Ge...

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