Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufklärungsverschulden einer Bank

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anleger kann sich in Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der Bank berufen, wenn er bei Vertragschluss durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. im Fondsprospekt arglistig getäuscht wurde. Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers bzw. Fondsinitiators bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falls objektiv evident ist, so dass sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis von der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen (BGH WM 2009, 1028-1032 Tz. 36).

2. Die "objektive Evidenz" einer arglistigen Täuschung ist für eine Beweiserleichterung in Form einer widerleglichen Vermutung unverzichtbar. Was unter einer "evident grob falschen Angabe im Prospekt" zu verstehen ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und damit keine zu generalisierende Rechtsfrage. Eine Differenz zwischen einer der Bank vorliegenden Baukostenschätzung eines Planungsbüros und den im Verkaufsprospekt ausgewiesenen Baukosten von ca. 30 % (hier ca. 4,5 Mio. DM) reicht für eine objektiv evidente Falschangabe nicht aus. Toleranzen zwischen einer Kostenschätzung und den tatsächlichen Baukosten sind bei einem Großbauprojekt (hier Büro- und Geschäftshaus mit Tiefgarage auf gut 5000 qm) in einem Bereich von 25-30 % hinnehmbar.

 

Normenkette

BGB §§ 488, 123, 311 Abs. 2, § 280; VerbrKG § 9 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Aktenzeichen 5 O 41/07)

 

Tenor

I. Der Beklagte wird gem. § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und deshalb beabsichtigt ist, sie aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

II. ...

III. ...

 

Gründe

I. Die Klägerin (eine Bank) nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Restdarlehensforderung i.H.v. 10.157,27 EUR nebst Zinsen in Anspruch.

Aufgrund eines Angebots des Vermittlers E. vom 9.11.1993 unterzeichneten der Beklagte und seine damalige Ehefrau am 10.11.1993 das notarielle Angebot zum Eintritt in den u.a. von den Gebrüdern K. initiierten "Sachwert-Plus Fonds Nr. 1 S." GbR (einem geschlossenen Immobilienfonds mit dem Ziel der Finanzierung und Errichtung eines Geschäftszentrums in S.) mit einer Beteiligung von zwei Anteilen über insgesamt 100.000 DM sowie ein Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages mit entsprechender Vollmacht für den von den Fondsinitiatoren vorgeschlagenen Treuhänder Rechtsanwalt M.

Mit Vertrag vom 08./21.12.1993 schlossen der Beklagte und seine damalige Ehefrau, jeweils vertreten durch den Treuhänder Rechtsanwalt M. zur Finanzierung dieser Beteiligung mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (KSK S.) einen Darlehensvertrag über 111.111 DM (effektiver Jahreszins 8,71 %). Die Rückzahlung des Darlehens sollte erstmals am 30.12.2003 mit einer 1%igen Tilgung beginnen.

Wegen Zahlungsverzuges des Beklagten und seiner damaligen Ehefrau kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 8.12.1998 fristlos. Aufgrund der Trennung und Scheidung von seiner damaligen Ehefrau wurde mit Wirkung zum 16.3.2000 eine Aufteilung der Restdarlehensforderung dahingehend vereinbart, dass der Beklagte und seine damalige Ehefrau jeweils die Hälfte der noch bestehenden Darlehensrestforderung übernahmen. Durch zwischenzeitig von dem Beklagten geleistete Zahlungen und die Verwertung von Sicherheiten (Lebensversicherung) konnte die Darlehenshauptforderung per 4.1.1999 auf 10.157,27 EUR zurückgeführt werden.

Bei der "Sachwert-Plus Fonds Nr. 1 S. GbR" handelt es sich um eine Publikumsgesellschaft mit mehr als 300 Gesellschaftern, die über insgesamt 530 Anteile verfügen. Zweck der von den Brüdern K. sowie dem Steuerberater L. durch Vertrag vom 24.2.1993 gegründeten Gesellschaft war die Errichtung und Vermietung eines Büro- und Geschäftshauses auf einem von der Gesellschaft zu erwerbenden Grundstück in S.. Zur Werbung von Kapitalanlegern wurde ein Verkaufsprospekt verwendet. Darin heißt es, dass das Gebäude "auf gut 5.000 m2 Fläche Büros beherbergen" werde. Der Fonds hatte ein Volumen von 26.500.000 DM (530 Anteile à 50.000 DM). Nach dem in dem Prospekt aufgeführten "Investitionsplan/Mittelverwendung" waren für den Erwerb des Grundstücks mit Nebenkosten 2,277 Mio. DM und für Bau- inklusive Planungs-, Genehmigungs- und Baunebenkosten 19 Mio. DM sowie eine Liquiditätsreserve von 1,0 Mio. DM eingeplant. Die von den Gründern des Fonds mit der Planung des neu zu errichtenden Geschäftsze...

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