Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Ehegattentestaments im Sinne der Einheitslösung trotz Wortwahl "befreiter Vorerbe"

 

Verfahrensgang

AG Lübeck (Beschluss vom 13.11.2015)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des AG Lübeck vom 13.11.2015 wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis zu 80.000 EUR.

 

Gründe

I. Der am...1919 geborene und am...Oktober 2011 verstorbene Erblasser war mit der am...November 2014 nachverstorbenen E in einziger Ehe verheiratet. Die Ehe ist kinderlos geblieben. Der Beteiligte zu 1. ist der einzige, nicht aus der Ehe, hervorgegangene Sohn des Erblassers. Die Beteiligte zu 2. ist eine Nichte des Erblassers. Die nachverstorbene Ehefrau des Erblassers hatte keine eigenen Kinder.

Die Eheleute verfügten unter dem 15.4.1996 mit einem handschriftlich geschriebenen und unterschriebenen gemeinschaftlichen Testament wie folgt:

"1. Wir setzen uns gegenseitig zu befreiten Vorerben ein; d.h.: der überlebende Ehepartner ist von sämtlichen im Gesetz vorgesehenen Beschränkungen befreit und kann frei und unbeschränkt über den Nachlass verfügen.

2. Der überlebende Ehepartner seinerseits vererbt von dem vorhandenen Bar- und Wertpapiervermögen unserer Nichte Frau A. die Hälfte (d.i. die nach Abzug der Bestattungs- und Haushaltsauflösungskosten noch vorhandene Summe).

3. Die andere Hälfte (einschließlich des gesamten Haushalts) verbleibt meinem Sohn B. Er soll auch die Bestattungsformalitäten und die Auflösung des Haushalts erledigen.

4. Zusatz: Sollte unsere Nichte, Frau A, wider Erwarten vor dem Letztüberlebenden sterben, erbt auch den für sie vorgesehenen Anteil mein (nichtehelicher) Sohn B."

(Es folgen die Unterschriften beider Ehegatten jeweils mit dem Datum 15.4.1996)

Unter dem 10.4.2009 findet sich in der Akte ein weiteres handschriftliches Testament überschrieben mit "Letzter Wille - Testament auf Gegenseitigkeit". Im Vergleich zu dem Testament vom 15.4.1996 ist das Testament vom 10.4.2009 ersichtlich (und zwischen den Beteiligten nicht im Streit) einschließlich der dort enthaltenen Unterschrift mit dem Namen der Ehefrau des Erblassers allein in der Handschrift des Erblassers verfasst. Dort heißt es u.a.:

"1. Wir setzen uns gegenseitig zu befreiten Vorerben ein, d.h.: der überlebende Ehepartner ist von sämtlichen im Gesetz vorgesehenen Beschränkungen befreit und kann frei und unbeschränkt über den Nachlass verfügen.

2. Der überlebende Ehepartner seinerseits vererbt von dem vorhandenen Bar- und Wertpapiervermögen unserer Nichte:

a) Frau A. 25.000,00 EUR (in bar oder in Wertpapieren).

b) Desgleichen erbt mein Sohn, Herr B. ebenfalls 25.000,00 EUR (in bar oder in Wertpapieren).

3. Die anderen Erbberechtigten der Erbordnung 2, 3 usw. erben nichts!

4. Der Wohn- und Hausrat ist nicht von besonderem Wert und wird demjenigen zugesprochen, der die Wohnung im ordentlichen Zustand an die Besitzerin übergibt.

5. Den Rest des Gesamtvermögens soll eine Wohltätigkeitsorganisation erhalten, die sich für alte und einsame Menschen in Altenheimen einsetzt. (Unterschrift des Erblassers)

6 ...

7 ...

8. Sollten irgendwo frühere Willenserklärungen oder sonstige Versprechungen nachweisbar sein, so erklären wir sie hiermit als ungültig!... (Unterschriften)

Nach dem Tod des Erblassers wurden die beiden Testamente eröffnet. Ein Erbschein wurde nicht beantragt.

Nach dem Tod der Ehefrau des Erblassers meldete sich der Beteiligte zu 1. zur Akte und beantragte die Einsetzung einer Nachlasspflegschaft. Er meinte, die weitere Nacherbenbestimmung in dem Testament vom 10.4.2009 sei nicht hinreichend bestimmt. Es sei jedenfalls der Nacherbenfall eingetreten. Er sei pflichtteilsberechtigt nach dem Erblasser. Trotz der Verwendung von Begriffen wie vererben und erben sei ihm in dem Testament von 2009 nur ein Geldanspruch vermacht worden. Das spreche eher gegen den Willen des Erblassers, ihn als so Bedachten auch zum Erben einzusetzen. Es dürfte gesetzliche Erbfolge eingetreten sein. Nachlasspflegschaft solle in beiden Nachlasssachen - also nach dem Erblasser und nach der Ehefrau des Erblassers - eingerichtet werden.

Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts teilte dem Beteiligten zu 1. auf seine Schreiben mit, sie gehe davon aus, dass durch das Versterben der befreiten Vorerbin - also der Ehefrau des Erblassers - gesetzliche Erbfolge nach dem Erblasser eingetreten sei und die ausgesetzten Vermächtnisse daneben bestehen bleiben würden. Anlass für eine Nachlasspflegschaft bestehe nicht.

Der Beteiligte zu 1. ließ mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30.1.2015 dazu vortragen, der Antrag auf Einleitung einer Nachlasspflegschaft bleibe aufrechterhalten. Das handschriftliche Testament vom 10.4.2009 dürfte unwirksam sein, weil es zwar als gemeinsames Testament der Eheleute formuliert sei, jedoch nur von dem Erblasser geschrieben und unterschrieben worden sei. Auch die Namensunterschrift der Ehefrau des Erblassers stamme nach dem Schriftbild ...

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