Eigentümerversammlungen vollständig online durchführen zu dürfen, ist (noch) Zukunftsmusik. Bis zum Jahresende soll ein Gesetzentwurf hierzu vorliegen. In einem offenen Brief erhöhen nun Verwalter den Druck auf die Politik.

Seit der WEG-Reform können die Wohnungseigentümer einzelnen Eigentümern per Mehrheitsbeschluss ermöglichen, online an (Präsenz-)Eigentümerversammlungen teilzunehmen. Die Möglichkeit, Eigentümerversammlungen vollständig online abzuhalten (digitale oder virtuelle Eigentümerversammlung), sieht das Gesetz bisher aber noch nicht vor.

Im Sommer war bekannt geworden, dass das Bundesministerium der Justiz plant, eine gesetzliche Regelung für reine Online-Eigentümerversammlungen zu schaffen. Auf eine Anfrage von Dr. Jan-Marco Luczak, des baupolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hatte das Justizministerium mitgeteilt, noch im Laufe des Jahres 2022 solle ein Referentenentwurf vorgelegt werden (siehe BT-Drucksache 20/2506).

Offener Brief von 9 großen Immobilien- und Verwaltungsunternehmen

Da der angekündigte Entwurf bis Anfang Dezember noch nicht vorlag, haben sich nun 9 Immobilien- und Verwaltungsunternehmen in einem offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gewandt und sich nachdrücklich für reine Online-Eigentümerversammlungen ausgesprochen. Ihr Ansinnen begründen die unterzeichnenden Unternehmen, die nach eigenen Angaben mehr als 500.000 Wohnungen verwalten, mit einem praktischen Bedürfnis und den anstehenden Aufgaben bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestands. Zudem habe die Erfahrung gezeigt, dass sich dort, wo Online-Eigentümerversammlungen ungeachtet der derzeitigen Rechtslage bereits durchgeführt werden, sich mehr Eigentümer einbrächten und beteiligten. Die Unterzeichner des offenen Briefs sind Bietigheimer Wohnbau, Ecowo, Frank-Gruppe, Kunze-Gruppe, Reanovo, Treubau Immobilienverwaltung, Schaefer & Wunsch Immobilienmanagement sowie Verwey.

Kaum nachvollziehbare Gegenargumente

Die Argumente derjenigen, die sich gegen die Möglichkeit reiner Online-Eigentümerversammlungen aussprechen, seien aus Sicht der Praxis unbegründet. Damit wenden sich die Unterzeichner des offenen Briefs gegen Bedenken, die hauptsächlich der Wohnungseigentümerverband "Wohnen im Eigentum (WiE)" vorbringt. Nach Meinung des WiE könnte die Erlaubnis reiner Online-Eigentümerversammlungen zur Folge haben, dass online nicht versierte Eigentümer, zum Beispiel ältere Wohnungseigentümer, künftig von Eigentümerversammlungen ausgeschlossen werden.

VDIV gegen Einstimmigkeitsprinzip bei Online-Eigentümerversammlungen

Auch der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) setzt sich seit geraumer Zeit für die Möglichkeit reiner Online-Eigentümerversammlungen ein.

Als die Pläne des Justizministeriums im Sommer bekannt wurden, begrüßte der Verband im Kern die Initiative. Allerdings monierte der VDIV zu hohe Hürden in der praktischen Umsetzung. Sollte tatsächlich Einstimmigkeit erforderlich sein, um reine Online-Versammlungen in einer Gemeinschaft zu ermöglichen, könnten einzelne Eigentümer aus einer Gemeinschaft Online-Versammlungen mit ihrem Veto verhindern. Der VDIV plädierte daher dafür, vom Einstimmigkeitserfordernis abzusehen. Stattdessen sollten die Eigentümer mit einfacher Mehrheit über die Durchführung reiner Online-Eigentümerversammlungen entscheiden können, so wie dies seit der WEG-Reform schon für die Entscheidung über die Online-Teilnahme einzelner Eigentümer der Fall ist.

VDIV-Geschäftsführer Martin Kaßler verwies zudem – wie nun auch die Unterzeichner des offenen Briefs – auf Erfahrungen aus der Praxis. In den Fällen, in denen Gemeinschaften ihre Versammlungen tatsächlich schon online abhielten, hätten deutlich mehr Eigentümer von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht, was auch ein höheres Verantwortungsbewusstsein für die eigene Immobilie mit sich bringe.

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