Leitsatz (amtlich)

Im Bereich einer Grenzverwirrung kann es einem betroffenen Eigentümer auf Grund des Rücksichtnahmegebots aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis unter Abwägung der allseitigen Interessen nicht erlaubt sein, eine Teilfläche gegen den Willen der anderen betroffenen Eigentümer in Besitz zu nehmen. Diese können hiergegen eine einstweilige Verfügung erwirken und vollziehen, ohne Gefahr zu laufen, sich schadensersatzpflichtig zu machen, wenn es ihnen im Schadensersatzprozess nicht gelingt nachzuweisen, dass sie Eigentümer oder Besitzer der Teilfläche (gewesen) sind.

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Urteil vom 16.08.2005; Aktenzeichen 4 O 47/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.01.2008; Aktenzeichen IX ZR 216/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Vereins wird das Urteil des LG Neubrandenburg vom 16.8.2005 dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz trägt das klagende Amt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; dem klagenden Amt wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den beklagten Verein durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der beklagte Verein zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nach Maßgabe der Gründe zugelassen.

 

Gründe

I. Das klagende Amt verlangt vom beklagten Verein Schadensersatz für die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung, diese sei ungerechtfertigt gewesen.

Der beklagte Verein, der als gemeinnütziger Verein mit 30 Beschäftigten rund 30 Behinderte betreut, ist Eigentümer der Flurstücke 42/5 und 42/10. Das als Kreisstraße genutzte Flurstück 41/1 steht im Eigentum des Landkreises M.-S. Ursprünglich bis zu einer Enteignung im Jahre 1949 war der beklagte Verein auch Eigentümer dieses Flurstücks. Die ungefähre Lage der Flurstücke zueinander ergibt sich aus dem Lageplan der Gemarkung D. Der Grenzverlauf im Kurvenbereich der Straße ist zwischen den Parteien streitig.

Ausweislich eines Abstimmungsprotokolls der N. GmbH N. und der Kreisstraßenmeisterei N. vom 12.10.1998 hat die geplante Abwasserdruckrohrleitung von D. nach S. nur auf der linken Straßenseite, aus Richtung S. gesehen, verlegt werden sollen, da die andere Straßenseite bzw. der unbefestigte Randstreifen zwischen Straße und Waldkante von der Kreisstraßenmeisterei für eine mögliche Straßenerweiterung beansprucht werde; vom klagenden Amt seien mit der Kreisstraßenmeisterei Straßennutzungsverträge bzw. Gestattungsverträge abzuschließen. Unter dem 4.4./11.4.2000 schlossen das klagende Amt und der Landkreis M.-S. einen Nutzungsvertrag hinsichtlich der Kreisstraße. Dem klagenden Amt wurde gestattet, "nach Maßgabe der nachstehend allgemeinen Bestimmungen das Straßeneigentum der Kreisstraße 6 für die Errichtung einer Abwasserdruckrohrleitung linksseitig an der freien Strecke im Abschnitt 10 der K 6 zwischen den Ortsdurchfahrten S. und D. zu benutzen."

Das klagende Amt plante eine Pumpstation, um u.a. die Gebäude des beklagten Vereins an die Schmutzwasserentsorgungsanlage anzuschließen. Mittels der Pumpstation sollte das gesammelte Schmutzwasser auf eine höhere Ebene gepumpt werden, um es von dort abzuführen. Ein Leistungsverzeichnis vom 20.12.2001 sah unter Pos. 5.1.130. diesbezüglich folgende Leistungen vor:

"Boden der Baugrube für Pumpwerk einschl. Verbauen nach DIN 18303, profilgerecht ausheben, seitliche Lagerung des Aushubs nicht möglich.

Verfüllen und Verdichten, Bodenverdrängung über 30-40 %, verdrängter Boden wird Eigentum des AN und ist zu beseitigen, Aushubtiefe bis 3,50 m, Aushubgrundfläche über 10-16 m2. ..."

Unter Pos. 5.1.140. heißt es u.a.:

"Schachtring nach DIN 4034, außen verkieselt, Abdeckplatte (SLW 60) mit einer Einstiegsöffnung 800 × 1.000 mm"

Der geplante Standort für die Pumpstation ergibt sich aus dem Lageplan der Gemarkung D. vom 15.3.2003; dieser vom klagenden Amt behaupteten geplanten Positionierung der Pumpstation ist der beklagte Verein nicht entgegengetreten.

Unter dem 18.3.2002 fertigte der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur T. eine Grenzniederschrift und legte in derselben den Grenzverlauf fest. Beim Ortstermin war das klagende Amt durch den Bauamtsleiter R. und der beklagte Verein durch Frau Rechtsanwältin D. vertreten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Grenzniederschrift Bl. 15/15 R der beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Beiakte AG Neustrelitz - 8 C 81/02 verwiesen. Auf Widerspruch des beklagten Vereins hielt der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur T. die Grenzniederschrift nicht aufrecht. Zur Begründung wird auf seine unter dem 20.6.2002 abgegebene eidesstattliche Versicherung verwiesen.

Mit Schreiben vom 29.4.2002 teilte das klagende Amt, vertreten durch Bauamtsleiter R., dem beklagten Verein Folgendes mit:

"... Hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Arbeiten zum Bau der Ortsentwässerung S., hier speziell der Pumpstation S., zum 13.5.2002 wieder aufgenommen werden. Das Pumpwerk wird, w...

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