Leitsatz (amtlich)

1. Ein zum Schadensersatz führender Beratungsfehler ist es auch, wenn die Bank den Anleger anhand des von dritter Seite erstellten Prospekts berät, darin enthaltene Berechnungen nicht den kalkulatorischen Grundlagen des Prospekts entsprechen und das Risiko für den Anleger kleiner erscheinen lassen als es tatsächlich ist.

2. Die unrichtige Beschreibung eines bestimmten Risikos wird nicht dadurch berichtigt oder aufgehoben, dass an anderer Stelle des Prospekts für den Fall des Eintritts anderer oder ferner liegender Risiken auf die Möglichkeit des Totalverlusts hingewiesen wird.

 

Verfahrensgang

LG Aurich (Urteil vom 24.07.2007; Aktenzeichen 5 O 80/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Aurich vom 24.7.2007 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.575 EUR nebst 2 % Zinsen für die Zeit vom 31.5.2001 bis zum 11.2.2007 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12.2.2007 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte des Klägers aus dem Besserungsschein an die Beklagte.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger beansprucht von der Beklagten als Anlageberaterin Schadensersatz aus Anlass einer fehlgeschlagenen Anlage.

Der Kläger war Bankkunde der Beklagten. Die Beklagte hatte den Kläger bereits mehrfach im Zusammenhang mit Geldanlagen beraten. Der Kläger hatte u.a. einen Anteil an einem geschlossenen Immobilienfonds sowie Anteile an einem US-amerikanischen Schiffsflottenfonds erworben. Im Fragebogen "Strukturiertes Beratungsgespräch" der Beklagten bezeichnete der Kläger am 9.3.1999 seine Anlageziele mit "Altersvorsorge", "Zinseinkünfte" und "Vermögensaufbau". Er gab sein durchschnittliches jährliches Haushaltsnettoeinkommen mit 100.000 DM - 150.000 DM an. Seine Anlagestrategie bezeichnete er in dem vorgegebenen Schema mit "wachstumsorientiert". Dieser Begriff ist im Formular wie folgt definiert:

"Überdurchschnittliche Wertentwicklungschancen; Wertverluste sind jederzeit möglich; Aktienanteil ist größer als Rentenanteil."

Als Anlageschwerpunkt gab er an: "Aktien".

Die Beklagte ist alleinige Aktionärin der X. Leasing- und Immobilien AG in d. Diese ist wiederum zu 100 % Gesellschafterin der C. X. Fonds Beteiligungsgesellschaft mbH in D.. (im Folgenden: C.).

Die C. gab ein Angebot zur Beteiligung an der I.I.GmbH & Co., E.. KG in K.(im Folgenden: I..) heraus. Unternehmensgegenstand der I.waren Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Vermarktung von Kino- und Fernsehfilmen. Die C. gab dem Fonds die Bezeichnung "C. 140". Für den Fonds sollten insgesamt 50.000.000 EUR eingeworben werden.

Die C. erstellte den Prospekt zum Beteiligungsangebot (Anlage K 2, Bd. I Bl. 12-79), auf den insgesamt Bezug genommen wird. Nach der Planrechnung der I.("Mid-Case-Szenario" S. 30 des Prospekts) sollten 65.754.422 EUR Kosten anfallen, davon 53.868.997 EUR für die Produktion der Filme.

Der Kläger ließ sich im Mai 2001 durch einen Mitarbeiter der Beklagten, den Zeugen B., im Hinblick auf eine erneute Anlage beraten. Der Zeuge B. beriet den Kläger anhand des von der C. herausgegebenen Prospekts.

Auf S. 9 des Prospekts heißt es unter der Überschrift "Wesentliche Chancen und Risiken" u.a.:

"Ihre Beteiligung an der I.KG ist eine echte unternehmerische Beteiligung. ...

Sollten im Extremfall alle von der I.KG hergestellten Filmproduktionen "floppen" und nur Erlöse aus den Garantien i.H.v. 60 % der Produktionskosten erzielt werden können, reduzieren sich die Ausschüttungen auf etwa 50 % Ihrer Nominaleinlage. Im Falle weiterer unvorhergesehener ungünstiger Ereignisse kann dies bis zum Totalverlust der von Ihnen gezeichneten Kommanditeinlage führen.

Der Prospekt enthält auf S. 46 den Hinweis:

"Bei den im Prospekt dargestellten Planrechnungen handelt es sich vor dem Hintergrund des vorstehend Genannten um Modellrechnungen, die nicht auf fundiertem Datenmaterial, sondern ausschließlich auf Schätzungen - z.B. Weltvertrieben und der an den Filmprojekten beteiligten Partner - beruhen. Tatsächliche wirtschaftliche Ergebnisse hängen von zahlreichen variablen Faktoren ab. Im Falle des Zusammenspiels mehrerer negativer Umstände kann dies im Extremfall bis zum Totalverlust der Einlage führen."

Ab S. 46 des Prospektes werden zudem folgende den Erfolg beeinflussende Faktoren beschrieben:

  • Erfolg der Produktionen
  • Schlüsselpersonen
  • Wettbewerb
  • Planrechnung
  • Blindpool - Filme in der Entwicklungsphase
  • Herstellung, Stoffrechte erwerben
  • Fremdfinanzierung
  • Währungen
  • Produktionskapital
  • Ausfall eine...

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