Verfahrensgang

LG Aurich (Aktenzeichen 2 O 967/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.03.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich aufgehoben sowie die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Aurich zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits - auch über die des Berufungsverfahrens - wird dem Landgericht übertragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Kostenvorschüssen aufgrund behaupteter Mängel.

Die Beklagte errichtete als Bauträgerin ein Vierfamilienhaus. Sie veräußerte die einzelnen Wohnungen mittels Bauträgerverträgen an die Mitglieder der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgänger. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin korrespondierte zur Geltendmachung von Mangelansprüchen namens und im Auftrag eines Mitglieds der Klägerin mit der Beklagten. Im Laufe dieser Korrespondenz teilte er der Beklagten mit Schreiben vom 03.04.2018 mit, neben der Eigentümerin HH auch die Klägerin zu vertreten.

Die Klägerin fasste nach einer Eigentümerversammlung vom 13.03.2018, über welche ein Protokoll erstellt wurde (Anlage P 1, Bd. I Bl. 63) einen Beschluss, der in der Beschlusssammlung lautet (Anlage P 2, Bd. I Bl. 64):

"Feuchtigkeitsschaden - Bericht durch JJ und KK, sowie der Beschluss über das weitere Vorgehen der Eigentümergemeinschaft

Nach Berichterstattung und Diskussion wird die Bildung einer Sonderumlage in Höhe von 5.000,- EUR/Wohneinheit, zahlbar bis zum 31.08.2019 für die Finanzierung der Vorschussklage, Gutachtenkosten, sowie die Ausführung der Drainage ab 15.09.2019 beschlossen."

Unter Einbeziehung des von der Klägerin beauftragten Privatgutachter KK hat die Beklagte Mangelbeseitigungsarbeiten durchgeführt.

Die Klägerin hat behauptet, eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums habe nicht stattgefunden. Es lägen zahlreiche Mängel vor, bezüglich derer sie sich auf die gutachterliche Stellungnahme KK beziehe. Der Geschäftsführer der Beklagten habe zugesichert, die geltend gemachten Mängel abzuarbeiten.

Die Klägerin hatte angekündigt zu beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Vorschuss zur Mangelbeseitigung in Höhe von 137.659,23 EUR zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, jeglichen weiteren Schadensersatz zu zahlen hinsichtlich weiterer über den Betrag in Höhe von 137.659,23 EUR hinausgehender Schäden am Objekt Straße1, Ort1;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.006,42 EUR an vorgerichtlichen Anwaltsgebühren zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von vorgerichtlichen Kosten für den Sachverständigen KK freizustellen.

Mit Versäumnisurteil vom 27.09.2021 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat nach seinem Einspruch sodann beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und der Klage nach den Anträgen aus dem Klageschriftsatz stattzugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Die Klage sei unbegründet, da die Klägerin mangels wirksamen Beschlusses nicht aktivlegitimiert sei, die Kostenvorschussansprüche geltend zu machen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie beantragt,

das Verfahren an das Landgericht Aurich zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuverweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres Vortrags. Sie hält an der bereits erstinstanzlich erhobenen Verjährungseinrede fest. Dem von der Klägerin angekündigten Parteiwechsel widerspreche sie.

II. Die Berufung ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht. Das Landgericht hat die Klage unzutreffend als unbegründet zurückgewiesen.

1. Das angefochtene Urteil ist rechtsfehlerhaft iSv § 513 I ZPO. Die Abweisung der Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin steht mit der materiellen Rechtslage nicht im Einklang. Die Begründung durch das Landgericht lässt erkennen, dass die entscheidungserhebliche Frage, ob die WEG trotz der fehlenden Aktivlegitimation Prozessführungsbefugnis hatte, nicht geprüft wurde. Bei fehlender Prozessführungsbefugnis ist die Klage unzulässig. Hierauf hätte das Landgericht nach seiner materiellen Rechtsansicht hinweisen müssen. Da es sich über die prozessuale Frage hinaus ausdrücklich nicht mit der Begründetheit der Klage befasst hat, liegt ein Fall von § 538 II Nr. 3 ZPO vor. Dieser ist entsprechend anwendbar, wenn eine Klage unrichtigerweise als unbegründet abgewiesen wurde, obwohl die Begründung eine Abweisung als unzulässig erfordert hätte (BGH, NJW 1984, 126; OLG Düsseldorf, Urteil v. 25.04.1990 - 9 U 1/90; BayObLG, Urteil v. 24.06.2002 - 1Z RR 235/01; OLG Dresden, Urteil v. 07.06.2002 - 3 U 589/02). Da sich das Landgericht aufgrund seiner fehlerhaften Rechtsauffassung mit der Sache inhaltlich gar nicht befasst h...

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