Leitsatz (amtlich)

1. Die von der Rechtsprechung in Baulandsachen entwickelten Grundsätze der "Vorwirkung" der Enteignung sind auch anwendbar auf eine spätere Teileinigung über den Eigentumswechsel an Grundstücksteilflächen.

Der eine Grundstücksteilfläche von der konjunkturellen Weiterentwicklung ausschließende Zugriff der späteren Enteignungsbegünstigten kann in einer Vereinbarung der vorzeitigen Besitzüberlassung und Gestattung der vorzeitigen baulichen Nutzung dieser Teilfläche zur Errichtung einer Erschließungsanlage (hier eines Regenüberlaufbeckens) liegen.

2. Die Vorschrift des § 14 Abs. 3 EnteigG LSA (entspricht § 99 Abs. 3 BauGB) ist hinsichtlich des früheren Beginns der Verzinsungspflicht entsprechend anzuwenden auf Fälle der einvernehmlichen vorzeitigen Besitzüberlassung und Zustimmung zur vorzeitigen baulichen Nutzung.

3. Die Hinterlegung des Mindestbetrages einer Enteignungsentschädigung beim AG hat keine schuldbefreiende und damit auch keine die Verzinsungspflicht beendende Wirkung, wenn die Enteignungsbegünstigte nicht auf das Recht der Rückforderung verzichtet hat, und insbesondere auch dann nicht, wenn es an einem zulässigen Hinterlegungsgrund mangelt.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 09.07.2007; Aktenzeichen 3 O 20/06 (Baul))

 

Tenor

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 9.7.2007 verkündete Urteil des LG Halle, 3 O 20/06 (Baul), wird zurückgewiesen.

Der Enteignungsbehörde wird aufgegeben, die vorzeitige Ausführung der Teileinigung des Antragstellers und der Enteignungsbegünstigten vom 5.11.2001 nach Maßgabe der nachträglichen Vermessung ohne Sicherheitsleistung anzuordnen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsteller kann die Zwangsvollstreckung durch die Enteignungsbegünstigte wegen ihrer außergerichtlichen Auslagen durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Enteignungsbegünstigte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer des Antragstellers übersteigt 20.000 EUR.

und beschlossen:

Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf 300.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt von der Enteignungsbegünstigten eine betragsmäßig höhere Entschädigung für den Eigentumsverlust an Teilen eines Grundstücks nach Teileinigung über den Umfang der Enteignung sowie eine Neufestsetzung der Verzinsung der Enteignungsentschädigung.

Der Antragsteller erwarb im Jahre 1991 das in der Gemarkung F., Flur 3, Flurstück 140 belegene Grundstück mit einer Größe von 27.180 qm, damals eingetragen im Grundbuch von F., Blatt 289, für 3 DM pro Quadratmeter. Im Februar 1992 wurde er im Grundbuch als Eigentümer eingetragen (vgl. Grundbuchauszug, Verwaltungsvorgang Regierungspräsidium Halle/später Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, 21.05 - 11 510/0-290 - künftig: BeiA I - Bd. I Bl. 53 ff.).

Am 25.7.1991 fasste die Gemeinde F., deren Rechtsnachfolgerin nach Eingemeindung mit Wirkung zum 1.4.1992 die Enteignungsbegünstigte ist, einen Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplanes für eine Ortsrandlage, in der das Gewerbegebiet K. entstehen sollte. Ursprünglich war vorgesehen, dieses Gewerbegebiet in zwei Bauphasen zu entwickeln, wobei in Bauabschnitt I ein Regenwasserüberlaufbecken (künftig: RÜB) errichtet und in Bauabschnitt II dieses dann erweitert werden sollte. Nach der im Bebauungsplan vorgesehenen baulichen Nutzung war das Grundstück des Antragstellers insgesamt in sechs Teilflächen unterteilt, die die Beteiligten der Baulandsache als Parzellen I bis IV sowie als Verkehrsflächen bezeichnen (vgl. Übersichten GA Bd. I Bl. 62 f.). Diese Teilflächen waren von der Planung unterschiedlich betroffen.

Zwei Parzellen waren als Betriebsfläche des RÜB ausgewiesen: Auf Parzelle II war das RÜB des ersten Bauabschnitts geplant, Parzelle III war als Vorratsfläche zur Erweiterung des RÜB im zweiten Bauabschnitt vorgesehen. Diese Parzellen II und III - jetzt Teilflächen des Flurstücks 294 - grenzen unmittelbar aneinander und haben eine Größe von ca. 17.000 qm.

Die weitere Restfläche des heutigen Flurstücks 294 bildet die Parzelle IV mit einer Größe von etwa 3.500 qm. Diese Parzelle war nie für eine öffentliche Nutzung vorgesehen. Sie war am Rande des Gewerbegebiets nach Bauabschnitt I gelegen und wurde begrenzt von der Parzelle III und einer stichartig in das Gesamtgrundstück ragenden Verkehrsfläche - jetzt Flurstück 296 mit einer Größe von 399 qm - zur Verkehrsanbindung der Betriebsfläche des RÜB. Wegen ihrer ungünstigen Lage hatte auch der Antragsteller kein gesteigertes Interesse an der Wahrung der Eigentümer- und Besitzerstellung für diese isolierte Teilfläche.

Die Parzelle I - jetzt Flurstück 295 mit einer Größe von 5.802 qm - ist direkt an der Straße gelegen. Für sie stand eine öffentliche Nutzung nie in Aussicht; sie war von Anfang an als Gewerbefläche ausgewiesen. Von ihr war lediglich ein...

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