Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anwendbarkeit der Rügevorschriften des § 377 HGB auf einen Vertrag über die Lieferung und Montage einer vollständigen Kartoffelchips-Produktionsanlage sowie weiterer Anlagenteile zur Aufrüstung einer Bestandsanlage, jeweils mit funktionalen Garantien der Gesamtanlagen.

2. Die Untersuchungs- und Rügelast des Auftraggebers für die Nichteinhaltung von Garantien bezüglich einzelner Funktionen der Gesamtanlage (hier: Garantie über die Begrenzung der Schälverluste und Garantie über Höchstwerte des Restwassergehalts von Kartoffelscheiben bei Backofeneinlauf) entsteht noch nicht mit der Lieferung und Montage einzelner Anlagenteile, sondern erst mit der ersten Inbetriebnahme der Gesamtanlage.

3. Auf einen nachträglichen Verzicht des Auftragnehmers auf den Einwand der Verletzung der Untersuchungs- und Rügelast kann nicht allein daraus geschlossen werden, dass der Auftragnehmer bei verspäteter Rüge zunächst um eine konsensuale Problemlösung bemüht ist. Die Umstände des Einzelfalls müssen eindeutig auf einen Verzichtswillen schließen lassen.

4. Die Verjährung eines Schadenersatzanspruches beginnt in entsprechender Anwendung des § 638 BGB a.F. auch dann, wenn der Auftraggeber in Ausübung des ihm eingeräumten Gestaltungsrechts von der Geltendmachung primärer vertraglicher Erfüllungsansprüche zur Geltendmachung sekundärer vertraglicher Gewährleistungsansprüche übergeht.

5. Der Ablauf der Verjährungsfrist eines konkreten Schadenersatzanspruches wird durch die Einreichung eines Mahnbescheides dann nicht unterbrochen i.S.v. § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F., wenn im Mahnbescheidsantrag auf eine Zahlungsaufforderung Bezug genommen wird, die diese Schadensposition weder dem Betrage nach noch der Bezeichnung nach aufführt.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 11.01.2006; Aktenzeichen 10 O 1474/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.12.2017; Aktenzeichen VII ZR 101/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das am 11.1.2006 verkündete Urteil des LG Magdeburg, 10 O 1474/03, werden jeweils zurückgewiesen.

Es wird klargestellt, dass die Klageabweisung auch den Feststellungsantrag erfasst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer beider Parteien übersteigt jeweils 20.000 EUR.

und beschlossen:

Der Kostenwert des Rechtsstreits in erster Instanz wird - insoweit abweichend von der Festsetzung im Urt. v. 11.1.2006 - für die Zeit bis zum 4.5.2004 auf 2.782.582,75 EUR festgesetzt; für die Zeit danach auf 2.748.776,89 EUR.

Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.753.890,49 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadenersatz wegen Nichterfüllung von Garantiebedingungen aus einem Vertrag von Juni 2000; die Beklagte macht widerklagend die Schlusszahlung aus diesem Vertrag sowie weitere offene Positionen aus anderen Verträgen geltend, gegen die die Klägerin nach ihrer Ansicht mit einem Teil ihrer vermeintlichen Schadenersatzforderungen wirksam aufgerechnet haben will.

Die Klägerin, zunächst noch firmierend unter St. Kartoffelverarbeitung GmbH bzw. später als St. Produktion GmbH & Co. KG, ist ein zu einem Konzern im Bereich der Kartoffelverarbeitung gehöriges Unternehmen mit einer Produktionsstätte in O. Die Beklagte ist ein niederländisches Maschinenbauunternehmen, welches u.a. Anlagen für die kartoffelverarbeitende Industrie konstruiert, herstellt und liefert. Sie handelte während der Vertragsanbahnung und -abwicklung durch ihre Abteilungen "F." und "E." und bediente sich zudem einer Beraterin und Vermittlerin, der A. GmbH. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestanden bereits vor dem Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages Geschäftsbeziehungen.

Die Klägerin beabsichtigte die Erweiterung ihrer Produktionskapazitäten für Kartoffelchips im Werk O.. Ab Ende April bis Juni 2000 fanden entsprechende Vorgespräche und Vertragsverhandlungen mit der Beklagten statt. Gegenstand der Vorverhandlungen waren u.a. auch die Forderungen der Klägerin nach funktionalen Garantien für die zu errichtenden Anlagen; die Einzelheiten der getroffenen Absprachen sind streitig. Schließlich bestellte die Klägerin bei der Beklagten die Konzipierung, Lieferung und Montage einer vollständigen neuen Kartoffelchips-Produktionslinie (künftig: Linie 1) sowie die Lieferung und Montage von Anlagenteilen zur Erweiterung der bereits vorhandenen Kartoffelchips-Produktionslinie (künftig: Linie 2) gegen Zahlung von insgesamt 5,9 Mio. DM. Die Beklagte bestätigte den Auftrag schriftlich unter dem 20.6.2000. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Anlage K 1 (vgl. GA Bd. I Bl. 160 ff.) Bezug genommen, hier insbesondere auf die "Garantieb...

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