Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestandsschutz für Werbemittler

 

Leitsatz (amtlich)

Zur kartellrechtlichen Unzulässigkeit der Weigerung eines marktstarken Telefonbuchverlags, Inserataufträge einer Werbeagentur entgegenzunehmen, wenn diese Weigerung darauf beruht, dass der Kunde der Werbeagentur bisher über einen Handelsvertreter des Verlags oder einem anderen Werbemittler inseriert hat, dem Bestandsschutz gewährt wird.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 29.12.2003; Aktenzeichen 4 HKO 4071/99)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen der Beklagten wird das Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 29.12.2003 abgeändert und wie folgt gefasst:

1. Das Versäumnisurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 25.9.2002 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, die von der Klägerin in eigenem Namen und auf eigene Rechnung erteilten Anzeigenaufträge zu den jeweils geltenden Vergütungssätzen entgegenzunehmen und an die Beklagten zu 2) bis 4) weiterzuleiten,

und

die Beklagten zu 2) bis 4) verpflichtet sind, die Anzeigenaufträge auch wenn sie unmittelbar von der Klägerin kommen, anzunehmen und zwar

die Beklagten zu 2) und 3) in den von ihnen herausgegebenen und verlegten örtlichen Telefonbüchern wie aus folgender Aufstellung ersichtlich:

Bad Salzungen und Umgebung,

Ilmenau und Umgebung,

Meiningen und Umgebung,

Suhl und Umgebung,

Schmalkalden und Umgebung,

sowie die Beklagten zu 3) und 4) in dem von ihnen herausgegebenen und verlegten Telefonbuch Nr. 134 für Suhl und Eisenach sowie in den von ihnen herausgegebenen und verlegten örtlichen Telefonbüchern wie aus folgender Aufstellung ersichtlich:

Ebern,

Ebrach,

Edenkoben,

Grünstadt,

Heilsbronn,

Höchstadt/Aisch,

Langenzenn,

Scheinfeld.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 1/8, die Beklagte zu 1) 21/72, die Beklagte zu 2) 7/72, die Beklagte zu 3) 21/72 und die Beklagte zu 4) 14/72 zu tragen.

II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die kartellrechtliche Zulässigkeit von Beschränkungen der Platzierung von Werbeinseraten in Telefonbüchern.

Die Klägerin betreibt eine Werbeagentur, deren Hauptbetätigungsfeld darin liegt, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung Insertionsaufträge ihrer Kunden in Telefonbüchern zu entwerfen und zu schalten.

Die Beklagte zu 3) ist ein Tochterunternehmen der D.T. AG. Sie gibt in Zusammenarbeit mit verschiedenen anderen Unternehmen in mehr als 120 Personengesellschaften Telefonbücher in verschiedenen Reihen heraus, so die vormals amtlichen, nunmehr "weißen" Telefonbücher (Das Telefonbuch), örtliche Telefonbücher (Das Örtliche Telefonbuch), Branchentelefonbücher (Gelbe Seiten) und örtliche Branchentelefonbücher (Gelbe Seiten regional) Die Beklagte zu 3) ist zusammen mit der Beklagten zu 2) Herausgeberin des jeweiligen örtlichen Telefonbuchs für die Gebiete Bad Salzungen und Umgebung, Ilmenau und Umgebung, Meiningen und Umgebung, Suhl und Umgebung sowie Schmalkalden und Umgebung. Zusammen mit der Beklagten zu 4) ist sie Herausgeberin des "weißen" Telefonbuchs Nr. 134 für Suhl und Eisenach sowie der örtlichen Telefonbücher für die Gebiete Ebern, Ebrach, Edenkoben, Grünstadt, Heilsbronn, Höchstadt/Aisch, Langenzenn und Scheinfeld.

Die Telefonbücher werden kostenlos verteilt und finanzieren sich aus den Einnahmen für gestaltete Beiträge, insb. Werbeeinträge. Die Beklagte zu 1) nimmt als Generalakquisiteur solche Anzeigenaufträge von Werbetreibenden entgegen und vermittelt sie an die Beklagten zu 2) bis 4), so dass die Anzeigenaufträge unmittelbar zwischen dem Inserenten und den Beklagten zu 2) bis 4) zustande kommen. Hierzu beschäftigt die Beklagte zu 1) etwa 200 freie Handelsvertreter, deren Vergütung auf Provisionsbasis für vermittelte Anzeigenaufträge erfolgt. Die Beklagten nehmen auch unmittelbar von Inserenten stammende Anzeigenaufträge grundsätzlich an, selbst wenn diese sich vorher von einem Unternehmen in welcher Weise auch immer haben beraten lassen.

Anfang 1999 teilte die Beklagte zu 1) der Klägerin und einem deren Kunden mit, dass von der Klägerin keine Anzeigenaufträge mehr entgegengenommen und weitergeleitet würden. Grund hierfür war, dass die Klägerin mit der Werbe- und Sparberatungsgesellschaft mbH (im Folgenden: WSG) zusammenarbeitet.

Die Klägerin hat das als sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit anderen Werbeagenturen, deren Aufträge angenommen würden, angesehen, deshalb Klage zunächst gegen die Beklagten zu 1) bis 3) erhoben und folgende Anträge angekündigt:

1. die Beklagten werden [unter Androhung der in § 890 Abs. 1 ZPO genannten Ordnungsmittel] verpflichtet, die Insertionsaufträge der Klägerin für die Örtlichen Telefonbücher für die Ge...

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