Leitsatz (amtlich)

1. Zur lauterkeitsrechtlichen Beurteilung eines von einem Pharmaunternehmen unentgeltlich angebotenen Arzt-Seminars.

2. Bei den §§ 32, 33 BOÄ Bayern handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nrn. 1, 3, § 11; HWG § 7; BOÄ Bayern §§ 32-33

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 10.01.2008; Aktenzeichen 4 HK O 3709/07)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG München II vom 10.1.2008 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger ist ein von den Mitgliedern des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller gegründeter eingetragener Verein. Zu seinen Aufgaben zählt insbesondere die Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder sowie die Überwachung und Durchsetzung lauteren Geschäftsgebarens in Bezug auf die Kooperation der pharmazeutischen Industrie mit Angehörigen der Fachkreise.

Die Beklagte produziert und vertreibt generische Arzneimittel. Sie ist nicht Mitglied beim Kläger.

Unter dem Titel "Arzt-Seminare 2007" hat die Beklagte Ärzten in der Zeit vom 1.1.2007 bis 24.11.2007 jeweils "GOÄ-Seminare" und "EBM-Seminare" zu gebührenrechtlichen Fragen angeboten (Anl. K 10). Die Teilnahme an diesen jeweils etwa dreistündigen Veranstaltungen war kostenlos.

Dieses Vorgehen der Beklagten hält der Kläger für wettbewerbswidrig. Es stehe insbesondere in Widerspruch zu dem vom Kläger am 16.2.2004, geändert am 2.12.2005, beschlossenen "FS Arzneimittelindustrie"-Kodex (nachfolgend: FSA-Kodex; vgl. Anl. K 6).

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, es [bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel] zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Ärzten und Ärztinnen die unentgeltliche Teilnahme an Seminaren zur GOÄ/IGeL sowie des EBM zu ermöglichen, wie anlässlich der als Anlage beigefügten Information zu den "Arzt-Seminaren 2007" geschehen.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.

Am 10.1.2008 verkündete das LG folgendes Urteil:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. [Sicherheitsleistung]

Zur Begründung führte das LG im Wesentlichen aus, dass die Beklagte nicht gegen den FSA-Kodex verstoßen habe.

Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Seiner Auffassung nach liege dem angegriffenen Urteil eine fehlerhafte Anwendung von § 21 Abs. 2 des FSA-Kodex auf den Streitfall zugrunde. Die streitgegenständliche Bewerbung kostenloser Seminare zur Abrechnungspraxis nach neuem Gebührenrecht durch die Beklagte sei unlauter i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG. Dies folge schon aus dem angegriffenen Verstoß gegen den FSA-Kodex. Die Wettbewerbswidrigkeit des streitgegenständlichen Verhaltens der Beklagten folge auch aus § 4 Nr. 1 UWG. Es stelle sich als unangemessene unsachliche Einflussnahme im Sinne dieser Vorschrift dar, durch unentgeltliche Zuwendungen die Verordnungspraxis eines Arztes zu beeinflussen. Ferner sei das verfahrensgegenständliche Verbot auch unmittelbar aus § 3 UWG abzuleiten.

Der Kläger hat beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte wie in erster Instanz beantragt zu verurteilen.

Die Beklagte hat das angegriffene Urteil verteidigt und beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Senat hat zunächst der Berufung des Klägers mit Urteil vom 7.8.2008 in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH mit Urt. v. 9.9.2010 - IZR 157/08 (= GRUR 2011, 431 - FSA-Kodex) das Senatsurteil aufgehoben und die Sache an den Senat zurückverwiesen. Auf das Urteil des BGH wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt weiterhin, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagte wie in erster Instanz beantragt zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Protokolle der Termine vom 7.8.2008 und 9.6.2011 Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dies führt zur Zurückweisung der Berufung.

1. Die von der Beklagten in der Berufungsverhandlung vom 7.8.2008 gegen die Fassung des Berufungsantrages des Klägers vorgebrachten Bedenken sind unbegründet. Ferner ist dem landgerichtlichen Urteil entgegen der Auffassung der Beklagten darin zu folgen, dass der Kläger berechtigt ist, die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche der Beklagten gegenüber geltend zu machen. Die Klagebefugnis (und Aktivlegitimation) des Klägers folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die hiergegen von der Beklagten erhobenen Einwänd...

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