Leitsatz (amtlich)

Zur Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters (Oberbürgermeisters) einer bayerischen Gemeinde beim Vollzug von Grundstücksgeschäften und zu deren Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt (hier: Löschungsbewilligung für Grundschuld im Nennbetrag unter 15.000 DM durch Oberbürgermeister der Landeshauptstadt).

 

Normenkette

GBO § 29; BayGO Art. 37 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Starnberg - Grundbuchamt (Aktenzeichen Tutzing Blatt 4405-16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird die Zwischenverfügung des AG Starnberg - Grundbuchamt - vom 24.8.2012 insoweit aufgehoben, als die Vorlage eines Stadtratsbeschlusses in der Form des § 29 GBO verlangt wird. Soweit die Löschungsbewilligung des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt München verlangt wird, kann diese auch - bis spätestens 28.2.2013, andernfalls der Antrag zurückgewiesen wird - durch die Vorlage von Vollmachten in der Form des § 29 GBO ersetzt werden, aus denen sich die Befugnis der Leiterin des Amtes für Soziale Sicherung ergibt, die für die Beteiligte zu 2 handelnde Mitarbeiterin zur Abgabe von Bewilligungserklärungen zu bevollmächtigen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1 ist als Eigentümerin von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen. Dieser ist mit einer Buchgrundschuld für die Beteiligte zu 2 i.H.v. 14.755,80 DM belastet. Mit notariellem Vertrag vom 30.3.2012 verkaufte die Beteiligte zu 1 diesen Grundbesitz. Für die Käufer ist zwischenzeitlich eine Eigentumsvormerkung eingetragen. Die Käufer übernehmen nach der Vertragsurkunde keine dinglichen Belastungen.

Die Grundschuld für die Beteiligte zu 2 - eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts - wurde am 11.5.1976 aufgrund Bewilligung vom 26.4.1976 eingetragen. Sie wurde bestellt für die Beteiligte zu 2 mit dem Zusatz: "Sozialamt".

Unter dem 19.7.2012 hat der Notar unter Bezugnahme auf die Vollmacht in der notariellen Urkunde vom 30.3.2012 für die Beteiligte zu 1 die Löschung der genannten Grundschuld beantragt und dabei eine Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 2 ("Sozialreferat") mit Dienstsiegel und Unterschrift einer Bediensteten vorgelegt.

Mit Zwischenverfügung vom 24.8.2012 hat das Grundbuchamt Frist zur Vorlage einer Löschungsbewilligung des Oberbürgermeisters der Beteiligten zu 2 nebst Stadtratsbeschluss in der Form des § 29 GBO gesetzt.

Hiergegen richtet sich die von der Beteiligten zu 2 eingelegte Beschwerde, die sie damit begründet, dass in der Geschäftsordnung des Stadtrats der Beteiligten zu 2 geregelt sei, dass der Oberbürgermeister im Rahmen der Geschäftsverteilung einzelne seiner Befugnisse in den Angelegenheiten der laufenden Verwaltung einer städtischen Dienstkraft übertragen könne. Zu den laufenden Angelegenheiten gehörten u.a. auch Löschungsbewilligungen. Mit der Beschwerde vorgelegt hat die Beteiligte zu 2 dabei einen Auszug aus der Geschäftsordnung des Stadtrats und - in beglaubigter Form - eine von Frau von G., der Leiterin des Amtes für Soziale Sicherung, für die Verwaltungsoberamtsrätin W., die Unterzeichnerin der Bewilligung, ausgestellte Vollmacht.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Beteiligte zu 2 hat daraufhin noch unbeglaubigte Abschriften zweier weiterer Vollmachtsurkunden vorgelegt, nämlich eine des Oberbürgermeisters für die Leiterin des Sozialreferats (u. a) zur Erledigung der laufenden Angelegenheiten und mit der Erlaubnis, Untervollmachten zu erteilen, sowie eine der Leiterin des Sozialreferats für die Leiterin des Amts für Soziale Sicherung Frau von G.

II. Das Rechtsmittel ist als Grundbuchbeschwerde (§ 71 Abs. 1 GBO) zulässig. Bei Erlass einer Zwischenverfügung ist jeder Antragsberechtigte beschwerdeberechtigt, auch wenn er den Antrag nicht gestellt hat (vgl. Demharter, GBO, 28. Aufl., § 71 Rz. 63).

In der Sache ist die Beschwerde im Wesentlichen begründet.

1. Gibt der erste Bürgermeister einer bayerischen Gemeinde gegenüber dem Grundbuchamt eine Erklärung ab, hat er letzterem seine Rechtsmacht zur Vornahme des betreffenden Rechtsgeschäfts nachzuweisen. Art. 38 Abs. 1 GO begründet nach überkommener Auffassung lediglich das Vertretungsrecht des ersten Bürgermeisters, nicht jedoch seine Vertretungsmacht (vgl. Senat vom 18.6.2010, 34 Wx 065/10 bei juris m.w.N.). Es stellt sich die Frage, ob die Abgabe der Löschungsbewilligung nach § 19 GBO zu den laufenden Angelegenheiten zählt, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen (Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO) und die der erste Bürgermeister deshalb in eigener Zuständigkeit erledigen kann. Das vormals zuständige BayObLG hat hierzu ausgeführt, dass die in dieser Vorschrift enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe im Einzelfall die Feststellung einer Reihe tatsächlicher Umstände voraussetzen, die noch dazu von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gelagert sein können. Deshalb erfordere die Beantwortung der Frage, ob ein bestimmtes Geschäft eine laufende Angelegenheit der Gemeinde darstellt, eine genauere Kenntnis der Verhä...

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