Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 7 HOAI ist auch nach der Entscheidung des EuGH zum Verstoß der Mindest- und Höchstsätze der HOAI gegen Europarecht weiterhin anwendbar

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verhältnis der Parteien zueinander ist die HOAI auch nach dem Urteil des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17)zum Verstoß der Mindest- und Höchstsätze der HOAI gegen Europarecht weiterhin noch anwendbar. Die Entscheidung des EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren führt nicht automatisch dazu, dass nationale Gerichte die als gemeinschaftsrechtswidrig erkannte nationale Rechtsnorm überhaupt nicht mehr anwenden dürfen.

2. Eine richtlinienkonforme Auslegung der HOAI, die zu einer Nichtanwendung des Mindestpreisgebots führt, ist nicht möglich, da die Regelungen zu den Mindest- und Höchstsätzen der Sinn und Zweck und somit der Kern der Regelungen der HOAI sind.

3. Soweit eine richtlinienkonforme Auslegung innerstaatlichen Normen nicht möglich ist, ist das Gericht auch nicht allein auf der Grundlage des Unionsrechts verpflichtet, die den Bestimmungen der Richtlinie zuwiderlaufenden Vorschriften seines innerstaatlichen Rechts unangewendet zu lassen.

4. Dem Unternehmer ist in dem Falle, in dem die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung seines Vergütungsanspruchs streitig sind, für seine schlüssig dargelegte Vergütung eine Sicherheit ohne Klärung der Streitfragen zu gewähren.

 

Normenkette

AEUV Art. 258, 260 Abs. 1, Art. 288 Abs. 3; BGB a.F. § 648a; BGB §§ 134, 242; MRVG Art. 10 §§ 1-2; RL 2006/123/EG Art. 15 Abs. 1, 2g, 3; ZPO § 287 Abs. 2, § 522 Abs. 2, § 543 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Urteil vom 13.12.2018; Aktenzeichen 72 O 182/14)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 13.12.2018, Az. 72 O 182/14, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.10.2019.

 

Gründe

I. Das angefochtene Urteil des Landgerichts beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1 ZPO), noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung.

1. Die Beklagte stützt ihre Berufung im Wesentlichen auf zwei Punkte:

Zum einen habe das Landgericht die Höhe der Sicherheitsleistung unter Verkennung der Besonderheiten des Falles falsch festgesetzt und zu Unrecht allein auf die Entscheidung BGH NJW 2014, 2186 abgestellt. Zum anderen argumentiert sie seit der Entscheidung des EuGH zum Verstoß der Mindest- und Höchstsätze der HOAI gegen Europarecht (Urteil vom 04.07.2019, Az. C-377/17 = NVwZ 2019, 1120; beck-online), dass die mindestsatzunterschreitende Honorarvereinbarung Bestand habe und nur diese Honorarvereinbarung maßgeblich für die Sicherheitsleistung nach § 648a a.F. BGB sei.

2. Die Argumentation der Beklagten vermag ihrer Berufung in keinem der beiden Punkte zum Erfolg verhelfen.

a) Es kommt im vorliegenden Fall für die Bemessung der Sicherheitsleistung nach § 648 a BGB a.F. nicht auf die Vereinbarung des Pauschalhonorars an, sondern auf die Mindestsätze nach der HOAI. Im Verhältnis der Parteien zueinander ist die HOAI auch nach der oben zitierten Entscheidung des EUGH weiterhin anwendbar (ebenso KG, Beschluss vom 19.08.2019, Az. 21 U 20/19; OLG Hamm, Urteil vom 37.07.2019, Az. 21 U 24/48; OLG Naumburg, Urteil vom 13.04.2017, Az. 1 U 48/11, jeweils zitiert nach beck-online; Stumberg BauR 2019, 1505).

aa) Das zitierte Urteil des EuGH erging in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV zwischen der Europäischen Kommission und der Bundesrepublik Deutschland. Der Tenor der Entscheidung lautet: "Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 I, II Buchst. g und III der RL 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßen, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat".

Inhaltlich führte der EuGH aus, dass die Anforderungen der HOAI, soweit sie die Mindest- und Höchstsätze für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren festlegen, unter Art. 15 II Buchst. g der RL 2006/123/EG, fielen. Um mit den Zielen dieser Richtlinie vereinbar zu sein, müssten die im vorliegenden Fall streitigen Sätze als Anforderungen im Sinne dieser Bestimmung deshalb die drei in Art. 15 III dieser Richtlinie genannten Bedingungen erfüllen, d.h., sie dürften keine Diskriminierung darstellen und müssten zur Verwirklichung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses erforderlich und verhältnismäßig sein. Zwar seien die ersten beiden Bedingungen erfüllt, die dritte Bedingung, die ihrerseits dre...

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