Leitsatz (amtlich)

Der Polizeibehörde steht gegen Entscheidungen des AG, die den Antrag nach Art. 18 Abs. 1 PAG zurückweisen, ein Beschwerderecht mit dem Ziel der nachträglichen Feststellung der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme grundsätzlich nicht zu.

 

Normenkette

FGG § 20; PAG Art. 18

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 24.10.2005; Aktenzeichen 13 T 15607/05)

AG München (Aktenzeichen 881-XIV B 225/05)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG München I vom 24.10.2005 wird verworfen, soweit es um die Entscheidung der Beschwerdekammer im Hinblick auf die Anordnung der Ingewahrsamnahme des Betroffenen geht.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I. In der Stadt M. ist das Betteln in der Fußgängerzone der Altstadt durch Satzung verboten und stellt eine Ordnungswidrigkeit nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz dar.

Der Betroffene bettelte am 1.8.2005 um 11.45 Uhr auf dem im Altstadt-Fußgänger-Bereich liegenden M.-Platz einen zu einer Zivilstreife gehörenden Polizeibeamten um einen Euroo an. Ermittlungen ergaben, dass der Betroffene seit April 2005 bereits neunmal wegen Verstoßes gegen dieselbe Satzung des Platzes verwiesen und zur Anzeige gebracht worden war. Der Betroffene gehört zu einer organisierten Gruppe von Personen, die aus Osteuropa in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, um hier durch Betteln ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Der Betroffene wurde in Unterbindungsgewahrsam nach Art. 17 PAG genommen, der nach Absicht der Polizeibehörde am 1.8.2005 nach Ladenschluss, d.h. um 20.30 Uhr enden sollte.

Durch Beschl. v. 1.8.2005 hat das AG den polizeilichen Antrag auf richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung nach Art. 18 Abs. 1 PAG zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Polizeibehörde am 9.8.2005 sofortige Beschwerde eingelegt. Durch Beschl. v. 24.10.2005 hat das LG die Beschwerde zurückgewiesen, soweit die Anordnung der Ingewahrsamnahme des Betroffenen begehrt wird (Hauptantrag) und verworfen, soweit beantragt wird, die Rechtswidrigkeit des Beschlusses vom 1.8.2005 festzustellen (Hilfsantrag). Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Polizeibehörde.

Der Betroffene befand sich seit 3.8.2005 in Untersuchungshaft. Inzwischen wird eine gegen ihn verhängte siebenmonatige Freiheitsstrafe vollstreckt.

II. Soweit das LG die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen hat, ist das Rechtsmittel unzulässig. Im Übrigen ist die sofortige weitere Beschwerde zulässig, aber nicht begründet.

1. Das LG hat ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Anordnung der Ingewahrsamnahme nach Art. 17 PAG lägen nicht vor. Der Betroffene befinde sich derzeit in Untersuchungshaft und habe daher nicht die Möglichkeit, in der Fußgängerzone zu betteln. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses des AG vom 1.8.2005 sei unzulässig. Eine entsprechende Anwendung von Art. 18 Abs. 2 PAG komme nicht in Betracht. Die Behörde könne nicht in Grundrechten verletzt sein.

2. Die Rechtsbeschwerde der Behörde bleibt i.E. ohne Erfolg.

a) Im Hinblick auf die Entscheidung der Beschwerdekammer über die Anordnung der Ingewahrsamnahme des Betroffenen ist das Rechtsmittel bereits unzulässig. Wird eine Person aufgrund von Art. 17 PAG festgehalten, hat die Polizei unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen (Art. 18 Abs. 1 S. 1 PAG). Das weitere Verfahren richtet sich nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FreihEntzG). Dieses sieht vor, dass der Beschluss des nach Art. 18 Abs. 3 PAG i.V.m. §§ 3, 4 FreihEntzG zuständigen AG mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann (§ 7 Abs. 1 FreihEntzG). Gegen die Anordnung einer Freiheitsentziehung sind die in § 6 Abs. 2 FreihEntzG genannten Beteiligten beschwerdeberechtigt (§ 7 Abs. 2 1. Halbsatz FreihEntzG). Gegen eine Entscheidung, durch die der Antrag der Verwaltungsbehörde abgelehnt wurde, steht nur dieser die Beschwerde zu (§ 7 Abs. 2 Halbs. 2 FreihEntzG).

Wie die Polizeibehörde im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens ausgeführt hat, richtete sich ihr Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde entgegen der Auffassung des LG, das dieses Begehren als Hauptantrag behandelt hat, nicht auf eine künftige Ingewahrsamnahme des Betroffenen. Diese Auslegung der Beschwerde liegt nahe und ergibt sich insb. aus dem Schreiben der Polizeibehörde vom 27.9.2005 an das Beschwerdegericht. Denn zum einen sollte die Freiheitsentziehung des Betroffenen von vornherein noch am 1.8.2005 um 20.30 Uhr beendet sein. Zum anderen befand sich der Betroffene bereits seit 3.8.2005 in Untersuchungshaft.

Das nach §§ 27, 29 FGG grundsätzlich statthafte Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde ist insoweit gleichwohl unzulässig, da keine Beschwerdeberechtigung besteht (§ 29 Abs. 4, § 20 FGG). Zwar ist bei einer erfolglosen Erstbeschwerde der Beschwerdeführer regelmäßig besch...

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