Leitsatz (amtlich)

1. Ein Unternehmen, dessen österreichische Tochtergesellschaft bereits einen Softwareüberlassungsvertrag mit einem ebenfalls dort ansässigen Kunden geschlossen hatte, handelt arglistig, wenn es diesem Kunden neue Lizenzverträge mit wesentlichen Vertragsänderungen (Austausch des Vertragspartners, Geltung deutschen Rechts, Vereinbarung des Gerichtsstands Aachen, erhebliche Verlängerung von Laufzeit des Vertrages sowie Kündigungsfrist) zur Unterschrift übersendet und ihm dabei ohne Hinweis auf diese Vertragsänderungen wahrheitswidrig vorspiegelt, dass deren alsbaldige Unterzeichnung zur Sicherstellung der erforderlichen Maßnahmen zur Umstellfähigkeit auf das Jahr 2000 und den Euro erforderlich sei und dass die hierfür erforderlichen Zusatzprogramme im Rahmen des bestehenden Softwareüberlassungsvertrages kostenfrei überlassen würden.

2. Die Erhebung einer Klage vor einem österreichischen Gericht auf Feststellung, dass die Vertragsbeziehungen der Parteien beendet seien, kann die Anfechtung der durch arglistige Täuschung erreichten Willenserklärung liegen.

 

Normenkette

BGB a.F. § 123 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 41 O 42/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8.10.2002 verkündete Urteil des LG Aachen – 41 O 42/01 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Unter dem 4.8.1994 schloss die österreichische Firma „P. Gesellschaft für Software” in H., deren 100%ige Gesellschafterin die Klägerin ist, mit der Beklagten einen Softwareüberlassungsvertrag ab, der unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines jeden Kalenderjahres gekündigt werden konnte. Im Jahr 1998 übersandte die Klägerin der Beklagten mit Anschreiben vom 9.4.1998, auf dessen Inhalt später eingegangen werden soll, einen Formularvertragsentwurf über die Überlassung von Software, der – neben der Geltung deutschen Rechts und des Gerichtsstands Aachen – die Regelung enthielt, dass eine Kündigung frühestens nach 60 Monaten möglich sei. In diesem Vertrag ist die Klägerin als Lizenzgeberin aufgetreten, ferner ist in § 12 Ziff. 4 bestimmt, dass die bisher erteilte Lizenz erlischt, an Dritte geleistete Zahlungen jedoch angerechnet werden. Dieser Vertrag wurde von der Beklagten unterzeichnet zurückgesandt. Mit Schreiben vom 31.5.2000 teilte die Beklagte der Klägerin, mit Schreiben vom 5.6.2000 sodann auch der österreichischen Firma P. mit, dass sie die Zusammenarbeit zum 31.12.2000 kündige und die letzte Zahlung für das vierte P.-quartal 2000 erfolge.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, ist die Beklagte zur Zahlung der von ihr begehrten Lizenzgebühren für das erste und zweite P.-quartal 2001 verurteilt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages im Wesentlichen vorbringt, der neue Softwareüberlassungsvertrag sei ihr „P.-quasi untergejubelt” worden; die Mindestbindungsfrist sei unwirksam.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte und auch i.Ü. zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist abzuweisen, da die Beklagte den im April 1998 geschlossenen Softwareüberlassungsvertrag mit der Folge dessen Nichtigkeit wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, §§ 123 Abs. 1, 142 BGB aF. Den im Jahr 1994 geschlossenen Vertrag hat die Beklagte unter Einhaltung der dort vorgesehenen Kündigungsfrist wirksam zum Ende des Jahres 2000 gekündigt.

Das Schreiben der Klägerin vom 9.4.1998, mit dem sie der Beklagten die neuen Verträge übersandt hat, stellt eine arglistige Täuschung i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB dar.

Um dies zu verdeutlichen, wird das Anschreiben im Wortlaut wiedergeben:

Betreff: Euro/Umstellung/Jahr 2000 Umstellung

Sehr geehrter Herr Kollege,

es ist uns ein Anliegen, die in der Vergangenheit gute Zusammenarbeit mit Ihrem Hause auch in der Zukunft in positiver und erfolgreicher Weise fortzuführen und weiterzuentwickeln.

Wir haben deshalb die P. – Print Software um Funktionen erweitert, die die Umstellungsfähigkeit auf den Euro und auf das Jahr 2000 garantieren.

Die hierzu notwendigen Zusatzprogramme erhalten Sie von uns im Rahmen des beiligenden Software-Überlassungsvertrages kostenfrei. Die monatlichen Gebühren für Lizenz und Wartung erhöhen sich ebenfalls nicht.

Wir hoffen, dass unser Angebot bei Ihnen Zustimmung findet und bitten Sie, die beigefügten zwei Exemplare der Verträge unterschrieben bis zum 30.4.1998 zurückzusenden, um eine rasche Erledigung der erforderlichen Maßnahmen sicherstellen zu können.

Der Inhalt des ersten Absatzes ist unrichtig. Es gab – rein rechtlich – keine Zusammenarbeit zwischen den Parteien. Vertragspartner der Beklagten war die österreichische Firma, die bis auf den Zusatz „Support” namensgleich mit der Klägerin war.

Zu der im zweiten Absatz erwähnten Erweiterung war der Vertragspartner der Bekl...

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