Verfahrensgang

AG Siegburg (Entscheidung vom 11.06.2010; Aktenzeichen 313 F 117/09)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 07.03.2012; Aktenzeichen XII ZB 391/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 11.6.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg vom 25.5.2010 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Das Familiengericht hat durch Urteil vom 20.5.2010 der Klage stattgegeben (GA 105 ff) und durch Beschluss vom 25.5.2010 (GA 108) das Prozesskostenhilfe-gesuch der Beklagten zurückgewiesen mit der Begründung, ihre Rechtsverteidigung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg und insoweit auf das Urteil verwiesen. Die Beklagte hat gegen diesen Beschluss "Beschwerde" eingelegt; wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift verwiesen (GA 116). Das Urteil ist innerhalb der Berufungsfrist nicht angefochten worden.

II.

Das als sofortige Beschwerde zu wertende Rechtsmittel der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Nach ganz herrschender Auffassung in Rspr. und Literatur steht der Umstand, dass die Beschwerde erst nach Abschluss der Instanz eingelegt worden ist, ihrer Zulässigkeit nicht entgegen, da die Beklagte auf Grund der vom Amtsgericht eingeschlagenen Verfahrensweise gehindert war, ihr Rechtsmittel vor Instanzbeendigung einzulegen. Dem ist zu folgen.

2. Das zulässige Rechtsmittel ist jedoch zurückzuweisen. Das rechtskräftig gewordene Urteil des Familiengerichts stellt verbindlich fest, dass die Klage begründet war und damit der Rechtsverteidigung der Beklagten die Erfolgsaus-sicht fehlt; das Beschwerdegericht kann im Hinblick auf diese Rechtskraftwirkung im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren keine abweichende Entscheidung zur Frage der Erfolgsaussicht mehr treffen. Dies entspricht der wohl herrschenden Meinung in der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte (OLG Frankfurt MDR 1983, 137; 1986, 857; EzFamR aktuell 2002, 63; OLG Hamm FamRZ 1985, 825; OLG Düsseldorf Beschluss vom 2.12.1987 - 1 W 41/87; FamRZ 2002, 1713; OLGR 2005, 94; MDR 2009, 1356; OLG Naumburg OLG-NL 1999, 48; FamRZ 2009, 1427; OLG Nürnberg FamRZ 2004, 1219; LG Saarbrücken JurBüro 1999, 144) sowie der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, deren Verfahrensgesetze auf die §§ 114ff ZPO verweisen (BFH BB 1984, 2249 = DB 1984, 2495; Beschluss vom 20.6.2001 - VII B 26/01; OVG Koblenz NJW 1982, 2834; Beschluss vom 18.10.1988 - 12 E 48/88; NVwZ-RR 1994, 123; OVG Weimar 1998, 488; LSG Erfurt Beschluss vom 17.4.2008 - L 6 B 19/06 R m.w.N.) und der Literatur (Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 127 RN 50; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 127 RN 5; Motzer in MüKo-ZPO, 3. Aufl., § 127 RN 17; Horndasch/Viefhues/Götsche, FamFG, § 76 RN 205; Johannsen/Henrich/ Markwardt, Familienrecht, 5. Aufl., § 127 ZPO RN 22; Künkel/Engels in Rahm/Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, II 126). Dem schließt sich der Senat an.

3. Die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 22.7.2010 sind für das vorliegende Beschwerdeverfahren ohne Bedeutung. Ob das Passivrubrum des Urteils zutrifft, ist für das vorliegende Verfahren unerheblich. Die von der Beklagten insoweit vertretene Auffassung steht zudem nicht in Einklang mit der ständigen Rspr. des BGH und der Oberlandesgerichte, denn danach besteht die Prozessstandschaft gem. § 1629 III 1 BGB über die Scheidung der Ehe hinaus jedenfalls dann bis zum rechtskräftigen Abschluss des Unterhaltsverfahrens fort, wenn die elterliche Sorge für das Kind keinem anderen als ihm übertragen worden ist (Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl., § 1629 RN 35 m.w.N.). Davon, dass die Beklagte noch gesetzliche Vertreterin ihrer Kinder ist, geht sie aber selbst aus.

4. Im Hinblick darauf, dass die vorstehend unter 2. dargelegte Rechtsauffassung in der obergerichtlichen Rspr. und der Kommentarliteratur umstritten ist (a.A. z.B. OLG Karlsruhe FamRZ 1995, 1163; OLG Nürnberg MDR 2000, 657; Stein/Jonas/ Bork, ZPO, 22. Aufl., § 114 RN 41; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 119 RN 47), ist gem. § 574 III 1 i.V.m. II ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Der Senat misst der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 574 II Nr. 1 ZPO zu, zudem erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, § 574 II Nr. 2 ZPO. Der Zulassung steht die einschränkende Rspr. des BGH für den Bereich des Prozesskostenhilferechts (z.B. BGH NJW 2003, 1126; FamRZ 2008, 1159) nicht entgegen. Denn die Einschränkung besagt nur, dass es nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts ist, im Rahmen eines Prozesskostenhilfeprüfungs-verfahrens die Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung oder -verteidigung zu beurteilen, wenn diese von einer grundsätzlichen oder streitigen Rechtsfrage abhängt, deren Klärung im Hauptsacheverfahren herbeigeführt werden kann, weil dann das Hauptsacheverfahren (nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu seiner Durchführung) der hierfür richtige Ort ist. So liegt es hier jedoch nicht. Denn die streitige Frage, ob die rechtskräftige Entschei...

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