Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 11 O 203/02)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der ersten Kammer für Handelssachen des LG Bonn vom 27.12.2002 – 11 O 203/02 – abgeändert.

Auf den Antrag des Klägers werden dessen außergerichtliche Kosten sowie die Gerichtskosten den Beklagten zu 1) und 2) je zur Hälfte auferlegt. Die Beklagten haben ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Das gilt auch für die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger erwirkte durch Senatsbeschluss vom 10.9.2002 eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagten, mit denen dieser der weitere werbliche Hinweis auf „Anzugstage” bei drastisch herabgesetzten Preisen untersagt wurde. Der Beschluss wurde den Beklagten seitens des Klägers am 18.9.2002 zugestellt. Am 16.10.2002 forderte der Kläger die Beklagten mit Fristsetzung auf den 23.10.2002 auf, eine Abschlusserklärung abzugeben. Da eine Reaktion zunächst ausblieb, reichte er am 28.10.2002 die Hauptsacheklage bei Gericht ein. Am 30.10.2002 erhielt er die Abschlusserklärung der Beklagten. Er nahm mit Schriftsatz vom 31.10.2002 die Klage zurück, deren Zustellung bei Eingang des Schriftsatzes noch nicht veranlasst war, und stellte Kostenantrag gem. § 269 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 ZPO.

Das LG hat diesen Antrag ebenso wie den daraufhin seitens der Beklagten, denen die Klageschrift sowie die Klagerücknahme samt Kostenantrag alsdann zugestellt worden ist, ebenfalls gestellten Kostenantrag als unzulässig verworfen. Eine Kostenentscheidung nach § 269 ZPO setze das Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses voraus, das mangels Zustellung der Klage nicht entstanden sei. Soweit die Beklagten im Zusammenhang mit dem ihnen eingeräumten rechtlichen Gehör zum Kostenantrag des Klägers Kenntnis von der Klage erhalten hätten, sei das einer Klagezustellung nicht gleichzusetzen.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der seinen Kostenantrag weiterverfolgt.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist nach § 269 Abs. 5 ZPO statthaft und auch fristgerecht eingelegt. Sie hat überdies in der Sache Erfolg.

1. Nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO sind die Kosten anteilig den Beklagten aufzuerlegen.

Die seit dem 1.1.2002 neu gefasste Vorschrift legt fest, dass sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen bestimmt, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurück genommen wird. Das ist hier der Fall. Durch die nach Einreichung der Klage, aber vor deren Zustellung übersandte Abschlusserklärung der Beklagten ist die Wiederholungsgefahr entfallen und dem Unterlassungsanspruch des Klägers damit die Grundlage entzogen worden; das hat ihn zur unverzüglichen Klagerücknahme veranlasst. Die vom LG in der angefochtenen Entscheidung unter Bezugnahme auf Zöller/Greger (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 269 Rz. 8aff.) vertretene Auffassung, die genannte Bestimmung sei nur anwendbar, wenn die Rücknahme der Klage nach Zustellung der Klageschrift erklärt werde – dem sich jetzt auch mit Entschiedenheit Hartmann (Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 61. Aufl., § 269 Rz. 39) angeschlossen hat – vermag der Senat nicht zu teilen:

a) Der Wortlaut der Vorschrift lässt die vom LG befürwortete Beschränkung seines Wirkungsbereichs nicht erkennen. Von dem Erfordernis der Rechtshängigkeit vor Klagerücknahme ist dort nicht die Rede. Der Novellierungsgesetzgeber ist vielmehr ersichtlich von der Vorstellung ausgegangen, auch eine noch nicht zugestellte Klage könne zurückgenommen werden. Dieses Begriffsverständnis des Gesetzgebers findet sich i.Ü. auch bereits in Kostenverzeichnis 1211, Anlage 1 zum GKG. Die Verfahrensgebühr entsteht nämlich bereits mit der Einreichung der Klageschrift beim Gericht (Hartmann, KostG, 31. Aufl., KV 1210 Rz. 13 m.N.). Die Verfahrensgebühr ermäßigt sich bei „Zurücknahme der Klage”, und das gilt (selbstverständlich) auch ohne deren Zustellung.

b) Die von Zöller/Greger und Hartmann (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 269 Rz. 8aff.; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 61. Aufl., § 269 Rz. 39) befürwortete restriktive Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 würde die Absichten des Gesetzgebers konterkarieren. Er betrachtete es ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drucks. 14/4722, 81) als Misstand, dass der Kläger nach einer Klagerücknahme kraft Gesetzes auch dann verpflichtet war, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, wenn der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hatte und der Kläger über einen materiellen Kostenerstattungsanspruch verfügte. Die Neuregelung sollte es ermöglichen, einem solchen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch Rechnung zu tragen, ohne dass ein neues Verfahren erforderlich werde. Die Vorschrift würde ihre praktische Bedeutung weitgehend verlieren, wenn sie nur für die Fälle angewandt würde, in denen es vor Einreichung der Klagerücknahmeschrift bei Gericht bereits zur ...

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