Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretung durch den Lebensgefährten in der Wohungseigentümerversammlung

 

Leitsatz (amtlich)

Sieht die Gemeinschaftsordnung vor, dass Wohnungseigentümer sich in der Wohnungseigentümerversammlung nur durch ihren Ehegatten, andere Miteigentümer oder den Verwalter vertreten lassen dürfen, so ist in analoger Anwendung dieser Vorschrift dennoch auch ein nichtehelicher Lebensgefährte als Vertreter zu dieser Versammlung zuzulassen, wenn dieser mit der Wohnungseigentümerin und den gemeinsamen drei Kindern seit mehr als zehn Jahren in einer auf Dauer angelegten verfestigten Verbindung in einer Familie zusammenlebt.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 18.09.2003; Aktenzeichen 2 T 51/03)

AG Aachen (Beschluss vom 13.02.2003; Aktenzeichen 12 UR II 212/02 WEG)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Köln vom 18.9.2003 – 2 T 51/03 – sowie der Beschluss des AG Aachen vom 13.2.2003 – 12 UR II 212/02 WEG – aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin berechtigt ist, sich durch ihren Lebensgefährten R.S. in den Eigentümerversammlungen vertreten zu lassen.

Die Gerichtskosten aller drei Instanzen tragen die Antragsgegner. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

 

Gründe

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 43 Abs. 1 Ziff. 1, 45 Abs. 1 WEG, 22, 27, 29 FGG) und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Senat ist entgegen der Entscheidungen der Vorinstanzen der Auffassung, dass sich die Antragstellerin in den Eigentümerversammlungen von ihrem Lebensgefährten vertreten lassen darf.

Eine Regelung in der Teilungserklärung, die das Recht eines Wohnungseigentümers, sich in der Eigentümerversammlung vertreten zu lassen, auf bestimmte Personen beschränkt, insb. – wie vorliegend – auf den Ehegatten, den Verwalter und andere Wohnungseigentümer, ist – wie AG und LG in Übereinstimmung mit der h.M. in Rspr. (BGH v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, MDR 1993, 442 = NJW 1993, 1329 ff.; BayObLG WE 1997, 276) und Lit. (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 25 Rz. 59, m.w.N.) ausgeführt haben – grundsätzlich zulässig. Eine solche Vertragsbestimmung verfolgt den berechtigten Zweck, Versammlungen der Wohnungseigentümer von gemeinschaftsfremden Einwirkungen fern zu halten. Die Wohnungseigentümer sollen in der Versammlung auftretende Meinungsverschiedenheiten allein unter sich austragen und sich deshalb auch nur durch bestimmte, dem eigenen Kreis nahestehende Personen vertreten lassen dürfen (BGH v. 29.1.1993 – V ZB 24/92, MDR 1993, 442 = NJW 1993, 1329 ff.).

Dieses Ziel der Regelung rechtfertigt die – vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht selbstständig vorzunehmende – ergänzende Auslegung, dass auch der Lebensgefährte der Antragstellerin zu dem Personenkreis zu zählen ist, dem die Vertretung in der Eigentümerversammlung übertragen werden kann. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Antragstellerin mit Herrn S. seit mehreren Jahren in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebt und dass aus dieser Beziehung drei gemeinsame Kinder hervorgegangen sind. Es handelt sich hierbei erkennbar um eine auf Dauer angelegte verfestigte Verbindung, die anstelle einer Ehe getreten ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann aus dem Erscheinungsbild der Beziehung der Antragstellerin verlässlich auf ein ehegleiches Verhältnis schließen. Die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften ist seit der notariellen Beurkundung der Teilungserklärung im Jahre 1962 erheblich angestiegen. Sie werden nunmehr gesellschaftsrechtlich weithin toleriert. Die Rspr. hat dem bereits mehrfach Rechnung getragen (BGH v. 13.1.1993 – VIII ARZ 6/92, MDR 1993, 440 = NJW 1993, 999, m.w.N.) und auch der Gesetzgeber hat die nichteheliche Lebensgemeinschaft als Form des Zusammenlebens von Mann und Frau zur Kenntnis genommen und rechtliche Folgen an ihre Existenz geknüpft (vgl. etwa § 122 BSHG; § 129 Abs. 1 Ziff. 1 SGB III). Sind – wie vorliegend – gemeinsame Kinder vorhanden, so genießt diese Lebensgemeinschaft gleich einer Familie im herkömmlichen Sinne zusätzlich den besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG. Im Hinblick auf diese im Jahre 1962 nicht vorhersehbare gesellschaftliche Entwicklung und ihre Beachtung in der Rspr. und Gesetzgebung weist die vorliegende Vertretungsregelung eine Lücke auf, die aus Sicht eines unbefangenen Beobachters dahingehend zu schließen ist, dass der nichteheliche Lebensgefährte der Antragstellerin und Vater ihrer drei Kinder gleich einem Ehegatten zu dem Personenkreis zu zählen ist, dem die Vertretung in der Eigentümerversammlung übertragen werden kann. Eine Lebensgemeinschaft wie die vorliegende weist so weitgehende Ähnlichkeit mit einer Ehe und einer Familie im herkömmlichen Sinne auf, dass sich eine rechtliche Gleichbehandlung i.S.d. Vertretungsregelung als naheliegend ergibt. Nur durch eine solche Auslegung werden die Interessen beider Parteien gewahrt, so, wie...

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