Leitsatz

Lebensgefährte in eheähnlichem Gemeinschaftsverhältnis darf unter bestimmten Voraussetzungen seinen Partner/seine Partnerin in der Eigentümerversammlung vertreten

 

Normenkette

§§ 23 ff. WEG; Art. 6 GG; § 242 BGB

 

Kommentar

  1. Eine Vertretungsvereinbarung in einer Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 1962 ist dahin auszulegen und zu verstehen, dass sich ein Wohnungseigentümer nicht nur von seinem dort ausdrücklich erwähnten Ehegatten, sondern auch vom Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft vertreten lassen kann, wenn diese Gemeinschaft

    1. seit mehreren Jahren eheähnlich besteht,
    2. aus dieser Beziehung gemeinsame Kinder hervorgegangen sind und
    3. es sich um eine auf Dauer angelegte verfestigte Verbindung handelt

    Eine solche Lebensgemeinschaft weist so weitgehende Ähnlichkeit mit einer Ehe und einer Familie im herkömmlichen Sinne auf, dass sich auch aus heutiger Sicht eine rechtliche Gleichbehandlung mit vertretungsberechtigten Ehepartnern ergibt. Insoweit entstehen den anderen Eigentümern auch keinerlei Nachteile im Sinne schützenswerter Einflüsse durch gemeinschaftsfremde Nichteigentümer. Damit war die hier getroffene Vereinbarungsregelung entsprechend ergänzend auszulegen, zumal sich seit Beurkundung der Teilungserklärung diese Form des Zusammenlebens von Mann und Frau ständig weiterentwickelt hat und von der Gesellschaft sowie der Rechtsprechung mehr und mehr toleriert wird.

  2. Damit wurden die Entscheidungen der beiden Vorinstanzen aufgehoben. Auch die anderslautende Entscheidung des BayObLG v. 12.12.1996 (2Z BR 124/96) rechtfertigt keine Vorlage zum BGH, da dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Dort ging es um eine Gemeinschaftsordnung schon von 1985, also zu einer Zeit, als die gesellschaftlichen Veränderungen bereits weitgehend vollzogen waren, sodass auch ein nichtehelicher Lebenspartner in eine Vereinbarungsregelung hätte ausdrücklich einbezogen werden können, wäre dies beabsichtigt gewesen. Nach dortigem Sachverhalt gehörten der Lebensgemeinschaft auch keine betreuungsbedürftigen Kinder an, so dass auch nicht der besondere Schutz des Art. 6 GG angesprochen wurde.
 

Link zur Entscheidung

OLG Köln, Beschluss vom 08.12.2003, 16 Wx 200/03, ZMR 5/2004, 379

Anmerkung

Diesem Entscheidungsergebnis nach vorliegendem Sachverhalt dürfte aus heutiger Sicht wohl niemand widersprechen. Die grundsätzliche Maxime der Nichtöffentlichkeit von Eigentümerversammlungen, die eine Gemeinschaft vor fremden Einflüssen schützen soll, sollte bei solchen oder ähnlichen vertretungseinschränkenden Vereinbarungen nicht allzu restriktiv ausgelegt werden. Auch wenn Ehegatten, Lebenspartner oder andere nahe Verwandte als Nichteigentümer von der Vertretung nach dem Wortlaut einer einschränkenden Vereinbarungsregelung ausgeschlossen sein sollten, müsste jedem Versammlungsleiter das Recht eingeräumt werden, solche Vertreter zumindest einstweilen unter Gewährung des entsprechenden Stimmrechts des abwesenden Eigentümers zuzulassen, hilfsweise über entsprechenden Geschäftsordnungsbeschluss die Zulassung zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang sollte er zunächst auch keine weiteren förmlichen Nachweise solcher Vertretungspersonen verlangen oder gar Nachforschungen betreiben müssen, wie lange nun etwa eine Lebensgemeinschaft besteht, auf welche Dauer sie ausgerichtet ist und ob aus dieser Verbindung vielleicht schon Kinder entstanden sind. Versammlungsleiter bzw. Gemeinschaften haben hier spontan zu Beginn einer Eigentümerversammlung zu entscheiden. Missbräuchliche Entscheidungen können hier u.U. in anschließenden Beschlussanfechtungsverfahren geklärt werden, mit Entscheidungserheblichkeit allerdings auch nur dann, wenn es kausal auf Fragen berechtigter oder unberechtigter Stimmrechtsvertretung ankäme. Verantwortliche Ersteller von Gemeinschaftsordnungen sollten im Falle nach wie vor überhaupt noch anfänglich gewollter Vertretungseinschränkung das Entscheidungsergebnis des OLG Köln berücksichtigen und auch Lebensgefährten unter bestimmten Voraussetzungen als zulässige Vertreter in Berechtigungen miteinbeziehen.

Allerdings hätte dieser Streit durchaus im Hinblick auf die noch "konservative" Entscheidung des BayObLG von 1996 "mit etwas gutem Willen" durchaus dem BGH zur abschließenden Grundsatzklärung vorgelegt werden können.

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