Leitsatz (amtlich)

1. Schuhe mit offenen Haken sind zum Fallschirmspringen ungeeignet, weil die Gefahr besteht, dass Schirmleinen sich in den Haken verfangen.

2. Ein Ausbildungsleiter ist jedenfalls bei einem noch unerfahrenen Schüler verpflichtet, auf das Erfordernis geeigneten Schuhwerks hinzuweisen und die Beachtung des Hinweises zu überwachen.

3. Zur Frage des Mitverschuldens des Verletzten, wenn es durch die vom Ausbildungsleiter versäumte Aufklärung und Überwachung zu einem Unfall kommt.

4. Der umfassende Haftungsausschluss im Aufnahmeformular eines Fallschirmsportvereins ist wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 7 AGB – Gesetz unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion ist nicht möglich.

 

Normenkette

BGB §§ 254, 823; AGBG § 11 Nr. 7

 

Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 2 O 82/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.05.2003; Aktenzeichen KZR 29/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.2.2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Trier teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 10.225,84 EUR nebst 4 % Zinsen p. a. hierauf seit dem 22.3.2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen der Kläger und die Beklagte zu 2) je zur Hälfte.

Von den außergerichtlichen Kosten trägt der Kläger die der Beklagte zu 1) voll und die eigenen zur Hälfte. Die Beklagte zu 2) trägt die eigenen außergerichtlichen Kosten voll und die des Klägers zur Hälfte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht von den Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgelds i.H.v. mindestens 20.000 DM wegen eines Unfalls beim Fallschirmspringen.

Der Kläger, der bei der Bundeswehr im sogenannten Automatikspringen mit Rundkappenfallschirmen Erfahrung gesammelt hat, war aktives Mitglied der Beklagten zu 1) und begann am 1.8.1998 eine Sprungausbildung im Freifall mit einem Flächenfallschirm.

In dem von der Beklagten zu 1) verwandten formularmäßigen Aufnahmeantrag ist eine „Enthaftungserklärung” enthalten, nach der das Mitglied auf alle Schadensersatzansprüche gegenüber dem Verein, Organen, Hilfskräften und Mitgliedern verzichtet, falls es im Zusammenhang mit der Ausbildung zu einer Schädigung kommt.

Der Kläger nahm unter der Leitung der Beklagten zu 2) die Ausbildung auf. Nachdem er bereits zwei Sprünge im Freifall und mit manueller Auslösung durchgeführt hatte, erfolgte am 5.8.1998 ein weiterer Absprung. Bei diesem Sprung löste der Kläger nach einem freien Fall von 10 Sekunden Dauer die Öffnung des Schirms mit der Hand aus. Hierbei geriet er in eine instabile Körperlage, kippte mit seinem Kopf nach unten, so dass seine Beine nach oben gerieten, und verfing sich mit dem linken Bein in Fangleinen des Fallschirms.

Der Fallschirm öffnete sich zwar, jedoch asymetrisch, und der Schirm geriet in eine Drehbewegung. Beides hatte eine höhere Sinkgeschwindigkeit zur Folge. Beim Aufprall auf den Boden wurde der Kläger schwer verletzt.

Erstinstanzlich haben die Beklagten in der Klageerwiderung vom 19.4.2000 auf entsprechendes Vorbringen des Klägers u.a. wie folgt erwidert:

„Der Kläger trug zum Unfallzeitpunkt einen L./Trecking-Schuh mit Schnürriemen … Der Kläger lag nicht stabil in der Luft, wie es ihm beigebracht wurde, bevor sich der Fallschirm öffnete … Durch seine instabile Lage setzte er den Grund dafür, dass sich eine der Leinen in der Öse seines Schuhs verfangen konnte, sein Bein mit nach oben zog und dadurch ein Zuziehen des Fallschirms an der Außenseite bewirkte”.

Der Kläger hat vorgebracht: Schuhe mit offenen Haken seien zum Springen wegen der Gefahr des Festhakens einer Fangleine ungeeignet. Hierauf hätte man ihn hinweisen müssen.

Die Beklagten haben sich verteidigt: Der Unfall sein allein durch das Fehlverhalten des Klägers und seine körperliche Vorbelastung (Hüftleiden) verursacht worden. Die vom Kläger verwendeten Schuhe seien zum Fallschirmspringen geeignet und zugelassen.

Das LG hat nach Einholung eines Gutachtens zur Geeignetheit des Schuhwerks die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Verkehrssicherungspflicht sei nicht verletzt. Es gebe keine festen Regeln über das geeignete Schuhwerk.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft, während die Beklagten darauf verweisen, ihre Verantwortlichkeit scheide schon wegen der Enthaftungserklärung aus. Ihr erstinstanzlich erklärtes Geständnis widerriefen sie wegen Irrtums.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, durch die Anhörung des Sachverständigen sowie durch Vernehmung von Zeugen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.

Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage...

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