Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufklärungspflicht des Zahnarztes über die Gefahr einer dauerhaft verbleibenden Nervschädigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Birgt ein zahnärztlicher Eingriff (hier: Versorgung mit Implantaten) das seltene, den Patienten aber erheblich beeinträchtigende Risiko einer dauerhaft verbleibendenden Nervschädigung, muss auch darüber aufgeklärt werden. Beweispflichtig für die umfassende und sachgemäße Aufklärung ist der Zahnarzt. Der Hinweis "Nervschädigung" in einem schriftlichen Aufklärungsformular ist unzureichend, weil er nicht verdeutlicht, dass ein nicht mehr zu behebender Dauerschaden eintreten kann.

2. Liegt aufgrund einer derartigen Beeinträchtigung die Gefahr von Folgeschäden offen zutage, bedarf die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige weitere Schäden keiner besonderen Begründung.

 

Normenkette

BGB §§ 276, 278, 280, 611, 823; ZPO §§ 256, 286, 313

 

Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 4 O 242/10)

 

Tenor

In dem Rechtsstreit ...weist der 5. Zivilsenat des OLG Koblenz die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO), wodurch die teilweise aussichtsreiche Anschlussberufung der Klägerin ihre Wirkung verlieren würde (§ 524 Abs. 4 ZPO).

 

Gründe

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

1. Die Klägerin war Patientin des beklagten Zahnarztes, der 2008 zwei Implantate einsetzte. Über die Behandlungsrisiken und eine Behandlungsalternative sieht die Klägerin sich unzureichend aufgeklärt; zudem lastet sie dem Beklagten Behandlungsfehler an.

Das sachverständig beratene LG hat zur Aufklärungsfrage Zeugenbeweis erhoben und der auf Zahlung von 15.610 EUR nebst Zinsen gerichteten Zahlungsklage nur zu einem Teilbetrag von 7.110 EUR nebst Zinsen stattgegeben, jedoch dem Feststellungsantrag der Klägerin umfassend entsprochen. Behandlungsfehler stünden fest aufgrund der Feststellungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen; den ihm obliegenden Nachweis umfassender und sachgemäßer Aufklärung habe der Beklagte nicht geführt. Ein Schmerzensgeld von 7.000 EUR statt der erwarteten 15.500 EUR sei ausreichend. Den materiellen Schaden von 110 EUR müsse der Beklagte insgesamt erstatten.

2. Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte die umfassende Abweisung der Klage, während die Klägerin mit der unselbständigen Anschlussberufung die abgewiesenen Anträge erster Instanz weiterverfolgt.

Beide Parteien wiederholen, vertiefen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen; wegen der Einzelheiten wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

3. Während die Berufung des Beklagten offensichtlich aussichtslos ist, verspricht die Anschlussberufung der Klägerin zumindest einen Teilerfolg.

a. Die Berufung bekämpft die Auffassung des LG, dem Beklagten seien Behandlungsfehler unterlaufen, mit beachtlichen Erwägungen. Ob sie allerdings im Endergebnis durchgreifen, hat der Senat deshalb nicht abschließend geprüft, weil das Urteil des LG Trier den Angriffen der Berufung des Beklagten jedenfalls deshalb standhält, weil ihm bzw. seiner Erfüllungsgehilfin, für die er vertraglich nach § 278 BGB einzustehen hat, Aufklärungsversäumnisse unterlaufen sind, die zur Haftung führen.

b. Was die Berufung auf Seiten 1 bis 9 der Begründungsschrift vorträgt, ist nämlich auch von Bedeutung für die inhaltliche Gestaltung der therapeutischen und noch mehr der Risikoaufklärung der Patientin. Dass der insoweit beweisbelastete Beklagte seinen Informationspflichten genügt hat, ist nicht hinreichend dargetan, jedenfalls aber nicht bewiesen.

Dass auch die Bagatellisierung scheinbar angesprochener Risiken als Aufklärungsversäumnis gewertet werden muss, ist gefestigte Senatsrechtsprechung, von der abzuweichen der vorliegende Fall keinen Anlass gibt.

Die Angriffe gegen die Würdigung des zur Aufklärungsfrage erhobenen Zeugenbeweises hat der Senat geprüft; sie überzeugen nicht. Daher beabsichtigt der Senat auch nicht, die Befragung der Zeugin zu wiederholen oder zu ergänzen.

Wegen der unzureichenden Aufklärung der Klägerin hat sie in den Eingriff und die danach erforderliche weitere Behandlung nicht wirksam eingewilligt, was zur Haftung des Beklagten führt.

c. Die unselbständige Anschlussberufung der Klägerin erscheint dagegen teilweise begründet; nach Auffassung des Senats hat das LG das Schmerzensgeld zu gering bemessen. Der Senat wird es daher deutlich erhöhen, sofern der Beklagte aus den Hinweisen unter b. nicht die nahe liegende Konsequenz zieht (§ 516 Abs. 1 ZPO) und es doch noch zu einer mündlichen Verhandlung kommt, deren Erforderlichkeit die Parteien durch ergänzendes Vorbringen aufzeigen könnten.

Die Rechtssache hat jedenfal...

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