Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen zulässiger Reptilienhaltung in Eigentumswohnung und Garten; Amtsermittlungsgrundsatz in Wohnungseigentumssachen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Haltung giftiger Schlangen und Frösche in einer Eigentumswohnung stellt keinen ordnungsgemäßen Gebrauch des Sondereigentums dar.

2. Die Haltung und auch Züchtung nichtgiftiger Reptilien in Wohnung und Garten stellt keinen nichtordnungsgemäßen Gebrauch des Sondereigentums dar, wenn eine Geruchsbelästigung ausgeschossen ist und mit ihr auch keine sonstigen vermeidbaren Nachteile für die anderen Wohnungseigentümer verbunden sind.

3. Das Tatsachengericht hat alle zur Aufklärung des Sachverhalts dienenden Beweise zu erheben, soweit das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt hierzu Anlass geben.

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 16.04.2003; Aktenzeichen 4 T 111/02)

 

Tenor

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Freiburg vom 16.4.2003 - 4 T 111/02 - wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Freiburg vom 16.4.2003 - 4 T 111/02 - insoweit aufgehoben, als darin zum Nachteil des Antragstellers entschieden worden ist.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG Freiburg zurückverwiesen.

4. Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.556,46 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und der Antragsgegner sind Mitglieder einer aus mehr als 20 Wohnungen bestehenden Wohnanlage. Die Eigentumswohnung des Antragstellers befindet sich im ersten Obergeschoss, die des Antragsgegners unmittelbar darunter im Erdgeschoss. Zur Wohnung des Antragsgegners gehört das Sondernutzungsrecht am vorgelagerten Teil des Gartens. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LG hat der Antragsteller zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung im Garten eine Anzahl von Schildkröten und in seiner Wohnung in verschiedenen Terrarien 25 bis 30 Giftschlangen, 4 Chamäleons und 2 Kragenechsen sowie 6 Pfeilgiftfrösche gehalten.

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Haltung der Tiere gehe über den zulässigen Gebrauch des Sondereigentums hinaus; es bestehe eine Geruchsbelästigung; das Risiko eines Entweichens der Schlangen könne ihm nicht zugemutet werden; es bestehe die Gefahr einer Minderung des Wertes seiner Eigentumswohnung, weil Käufer sich durch die Schlangen- und Schildkrötenhaltung abschrecken ließen. Er verlangt daher vom Antragsgegner, die Haltung von Reptilien in der Wohnung und im Garten zu unterlassen. Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten. Er behauptet, von den Tieren gehe keine Belästigung aus, sie seien nahezu geruchsfrei und die an sie zu verfütternden Nagetiere würden nicht in der Wohnung gehalten.

Das AG hat den Unterlassungsantrag nach Vernehmung von 6 Zeugen mit Beschluss vom 15.1.2002 abgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das LG nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 16.4.2003, der beiden Beteiligten am 25.4.2003 zugestellt wurde (AS 397 und 399), dahin teilweise abgeändert, dass es den Antragsgegner - unter Zurückweisung des weiter gehenden Antrags des Antragstellers - verpflichtet hat, das Halten giftiger Reptilien in seiner Wohnung zu unterlassen und die vorhandenen Giftschlangen und Pfeilgiftfrösche zu entfernen; die weiter gehende sofortige Beschwerde des Antragstellers hat es zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des LG haben beide Beteiligte durch jeweils am 9.5.2003 im Original (Antragsgegner) bzw. als Telefax (Antragsteller) beim Rechtsbeschwerdegericht eingegangenen Anwaltschriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller verfolgt sein Ziel - Anweisung des Antragsgegners, die Haltung von giftigen und nichtgiftigen Reptilien in der Wohnung sowie die Haltung und Züchtung von Schildkröten im Garten zu unterlassen - weiter. Der Antragsgegner verlangt vollständige Abweisung des Unterlassungungsantrags zur Haltung von Reptilien in Wohnung und Garten.

II. Beide Rechtsmittel sind statthaft (§ 45 Abs. 1 WEG) und auch sonst zulässig. Dabei ist die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners unbegründet, während die des Antragstellers zu einem - vorläufigen - Erfolg in der Sache führt.

1. Die Entscheidung des LG hält der Überprüfung stand, soweit der Antragsgegner verpflichtet wird, das Halten giftiger Reptilien - und giftiger Frösche - in seiner Wohnung zu unterlassen und die vorhandenen derartigen Tiere zu entfernen.

I. Das LG hat insoweit ausgeführt, die Haltung von 25 bis 30 Giftschlangen und 6 Pfeilgiftfröschen in einer Eigentumswohnung stelle einen übermäßigen Gebrauch des Sondereigentums dar, weil Schlangenhaltung im hier betriebenen Ausmaß in der Wohnung außergewöhnlich sei und bei weiten Bevölkerungskreisen auf emotionale Vorbehalte stoße sowie zu Ängsten führe; auf eine konkrete Geruchsbelästigung komme es nicht an. Ob...

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