Leitsatz

  1. Die Haltung giftiger Schlangen und Frösche widerspricht ordnungsgemäßem Gebrauch des Sondereigentums
  2. Haltung und Züchtung nicht giftiger Reptilien in Wohnung und Garten kann allenfalls dann zulässig sein, wenn Geruchsbelästigungen und andere Nachteile für die Wohnungseigentümer auszuschließen sind
 

Normenkette

(§§ 13, 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG; § 1004 Abs. 1 BGB; §§ 12, 27 FGG)

 

Kommentar

  1. In einer größeren Wohnanlage hielt ein Antragsgegner in seiner EG-Wohnung mit vorgelagertem Gartensondernutzungsrecht zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung im Garten zahlreiche Schildkröten und in seiner Wohnung in verschiedenen Terrarien 25-30 Giftschlangen, 4 Chamäleons, 2 Kragenechsen sowie 6 Pfeilgiftfrösche. Gegenüber dem Unterlassungsverlangen des Eigentümers im 1. OG unmittelbar über der EG-Wohnung hielt der Antragsgegner entgegen, dass von den Tieren keine Belästigung ausgehe, sie nahezu geruchsfrei seien und die an sie zu verfütternden Nagetiere nicht in der Wohnung gehalten würden.
  2. Nutzrechte eines Sondereigentums gem. § 13 WEG werden u.a. durch § 14 Nr. 1 WEG eingeschränkt. Für Nachteilswirkungen ist die Verkehrsanschauung maßgeblich, die je nach den konkreten Verhältnissen zu unterschiedlichen Beurteilungen führen kann. Werden die Grenzen des § 14 Nr. 1 WEG überschritten, kann jeder andere Wohnungseigentümer von einem Störer nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG die Unterlassung eines störenden bzw. übermäßigen Gebrauchs verlangen (h.R.M.).

    In Bezug auf die Haltung giftiger Schlangen und Frösche stellt diese Wohnungs- bzw. Gartennutzung keinen ordnungsgemäßen Gebrauch mehr dar, weil sie den hiesigen Vorstellungen über die Haltung von Tieren in Wohnanlagen nicht entspricht (vgl. auch LG Bochum v. 20.12.1988, 7 T 767/88, NJW-RR 1990, 1430 und OLG Frankfurt a.M. v. 19.7.1990, 20 W 149/90, NJW-RR 1990, 1430). Hier besteht bei anderen Eigentümern die begründete Besorgnis, von etwa entwichenen Tieren geschädigt zu werden. Eine solche Angst ist auch nicht völlig irrational und somit auch nicht als unbeachtlich anzusehen. Solche Tiere können infolge eines Missgeschicks unkontrolliert aus ihren Terrarien entweichen; sind anderen Bewohnern die Reaktionen solcher Tiere nicht bekannt, kann dies zu Recht Gefühle der Unsicherheit und des Bedrohtseins hervorrufen. Eine solche latente Bedrohungssituation muss kein Wohnungseigentümer hinnehmen.

  3. Richtig ist zwar, dass die Haltung und auch Züchtung nicht giftiger Reptilien in Wohnung und Garten keinen Verstoß gegen den Grundsatz ordnungsgemäßen Gebrauchs von Sondereigentum darstellen muss, falls eine Geruchsbelästigung ausgeschlossen werden kann und auch keine sonstigen vermeidbaren Nachteile für andere Bewohner erkennbar sind. Allerdings kann entgegen der Auffassung des LG nicht ohne weiteres davon gesprochen werden, dass nach Entfernen der giftigen Reptilien die Gefahr einer Geruchsbelästigung durch die weiteren in der Wohnung gehaltenen Tiere beseitigt sein werde. Insoweit hat das LG nicht weiter dargelegt, worauf diese Erkenntnisse beruhen. Mit wie vielen innerhalb und außerhalb der Wohnung gehaltenen Schildkröten und anderen Reptilien künftig zu rechnen sei, hat das LG ebenfalls nicht festgestellt, was als Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) anzusehen ist, weil das Tatsachengericht alle zur Aufklärung des Sachverhalts dienlichen Beweise zu erheben hat, soweit das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt hierzu Anlass geben (vgl. auch BayObLG v. 2.5.1991, BReg 2 Z 15/91, WuM 1991, 614). Besonderer Anlass für weitere Ermittlungen war auch deshalb gegeben, weil Art und Zahl der vom Antragsgegner in Haus und Garten gehaltenen Exemplare in der Vergangenheit stark geschwankt haben und sich nach Aktenlage auch bis zu 34 Schlangen nebst anderen Reptilien in der Wohnung und 57 Schildkröten im Garten befunden haben. Zudem gab es eine hohe Zahl EG-Bescheinigungen für Nachzuchten von griechischen Landschildkröten und Breitschwanzschildkröten, die der Antragsgegner zum Zweck beabsichtigter Veräußerung beantragt hatte. Hier hätte das LG weiter ermitteln müssen, ob bei der zu erwartenden Zahl gehaltener Tiere eine Geruchsbelästigung ausgeschlossen bzw. ab welcher Zahl mit einer nennenswerten Geruchsbelästigung zu rechnen sei.
 

Link zur Entscheidung

(OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.12.2003, 14 Wx 51/03, NZM 14/2004, 551)

Anmerkung

Offensichtlich wurde hier die Streitsache an das LG zum Zweck weiterer Ermittlungen in Bezug auf mögliche Nachteilswirkungen auch hinsichtlich der nicht giftigen Tiere zurückverwiesen. Berücksichtigt man die jüngste obergerichtliche Rechtsprechung zur Hundezucht, zur Rudelhaltung von Huskies, zur Katzenhaltung und zum Verbot einer Kampfhundehaltung, kann ich mir nicht vorstellen, dass in einer Eigentumswohnung und einem sondergenutzten Garten eine größere Zahl auch "harmloser" Schildkröten, Chamäleons und/oder Echsen gehalten und gezüchtet werden können. Wenn dann noch eine Veräußerungsabsicht solcher Tiere hinzutritt, liegt die Nutzung...

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