Verfahrensgang

LG Offenburg (Aktenzeichen 3 O 111/17)

 

Tenor

I. Die Klagepartei hat am 28.03.2011 bei einer Autohändlerin einen Neuwagen VW Sharan BlueMotion Technology, bei dem ein 2,0 l-Motor des Typs EA189 EU 5 verbaut ist, zu einem Brutto-Kaufpreis einschließlich Überführungs- und Zulassungskosten in Höhe von 33.274,01 EUR erworben, der am 05.08.2011 ausgeliefert worden ist. Für den Fahrzeugtyp war die Typgenehmigung nach VO (EG) 715/2007 erteilt worden mit der Schadstoffklasse Euro 5. In den Fahrzeugen dieses Typs und auch im Fahrzeug der Klagepartei ist eine Software zur Steuerung des Motors installiert, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befindet. Während im Testlauf die Motorsteuerung dergestalt erfolgt, dass mittels einer Abgasrückführung die Abgase zusätzlich gereinigt werden und im Ergebnis die Emissionsgrenzwerte entsprechend der genannten Verordnung eingehalten werden (Abgasrückführungsmodus 1), ist im Betriebsmodus des normalen Straßenverkehrs der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv, in dem keine oder eine deutlich geringere Abgasrückführung stattfindet.

Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB angenommen und die Beklagte unter anderem zur Erstattung der Erwerbskosten abzüglich einer Nutzungsentschädigung verurteilt Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie Aufhebung des Urteils des Landgerichts und Klageabweisung begehrt.

II. Der Senat weist zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass die Berufung der Beklagten betreffend die Hauptforderung nach vorläufiger Einschätzung nur im Hinblick auf die Höhe der im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigenden Nutzungsentschädigung Erfolg haben dürfte. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass ein Schadensersatzanspruch der Klagepartei gegen die Beklagte gegeben sein dürfte. Im Folgenden wird die vorläufige Rechtsauffassung des Senats näher dargelegt. Allein zur besseren Lesbarkeit wird weitgehend auf die wiederholende Verwendung einschränkender Formulierungen ("dürfte", "könnte" etc.) verzichtet:

 

Gründe

1. Der Klagepartei steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 826, § 31 BGB auf Erstattung des für den Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs verauslagten Kaufpreises abzüglich Vorteilsausgleich für die Nutzung Zug um Zug gegen Übereignung dieses Fahrzeugs zu.

Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, dessen Betriebserlaubnis im Hinblick auf die im Rahmen des EG-Typgenehmigungsverfahrens nicht offengelegte streitgegenständliche Umschaltlogik infrage steht, stellt eine konkludente Täuschung dar (a). Durch dieses Verhalten ist bei der Klagepartei kausal ein Schaden verursacht worden, der im Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug zu sehen ist (b). Anlass, die Kausalität zwischen Täuschung und Schaden unter Schutzzweckgesichtspunkten zu verneinen, besteht nicht (c). Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig zu beurteilen (d). Auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB, nämlich insbesondere Schädigungsvorsatz und Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände, sind gegeben. Die hinreichend substantiierten Behauptungen der Klagepartei, dass die subjektiven Voraussetzungen beim seinerzeitigen Vorstand vorhanden waren, hat die Beklagte im Hinblick auf die sie treffende sekundäre Darlegungslast nicht wirksam bestritten. Die Kenntnisse des Vorstands sind der Beklagten analog § 31 BGB zuzurechnen (e). Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Senats einen Anspruch aus § 826, § 31 BGB verneinen würde, wäre hier jedenfalls ein gleichartiger Schadensersatzanspruch aus § 831 Abs. 1 S. 1, § 826 BGB gegeben (f).

Als Schadensersatz kann die Klagepartei verlangen, von den Folgen des aufgrund der unerlaubten Handlung der Beklagten eingegangenen Kaufvertrags befreit zu werden. Dabei hat die Klagepartei sich im Rahmen der Vorteilsausgleichung einen Nutzungsersatz anrechnen zu lassen (g). Dieser Anspruch ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Klagepartei durch Aufspielen des von der Beklagtenseite angebotenen Software-Updates die Stilllegung des Fahrzeugs vermeiden könnte (h).

Im Einzelnen:

a) Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik stellt eine konkludente Täuschung dar. Denn mit dem Inverkehrbringen gibt ein Hersteller konkludent die Erklärung ab, dass der Einsatz des Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist (aa). Dies war vorliegend allerdings nicht der Fall, weil die verwendete Umschaltlogik in der Motorsteuerungssoftware als verbotene Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist mit der Folge, dass der Widerruf der Typgenehmigung droht (bb).

aa) Schädigungshandlung ist das Inverkehrbringen des mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik versehenen Fahrzeugs.

(1) Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls k...

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