Entscheidungsstichwort (Thema)

Schaukel. Kind. Aufsichtspflicht. Verkehrssicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Anbringen einer Tellerschaukel an einem Ast eines am Rande eines gerodeten Hanges in exponierter Lage stehenden Baumes begründet für etwa 10-jährige Kinder beim Schaukeln ein unvertretbares Gefahrenrisiko, erst recht, wenn eine ständige Beaufsichtigung beim Schaukeln nicht gewährleistet ist.

Stürzt ein Kind in Folge der auftretenden Fliehkräfte von der Schaukel und zieht sich dadurch Verletzungen zu, haftet derjenige, der die Schaukel im Beisein der Kinder angebracht und die Kinder betreut hat, aus Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht (§ 823 abs. 1 BGB).

2. Ein Mitverschulden ist dem verletzten Kind selbst dann nicht anzulasten, wenn es – in Verkennung der objektiven Gefahrenmomente – gegen die Anweisung, nicht von einem bestimmten Startpunkt aus allein zu schaukeln, verstoßen hätte (§ 254 BGB).

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 254

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Urteil vom 29.04.2008; Aktenzeichen 4 O 1/08)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 29. April 2008 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin hat den Beklagten voll auf Schmerzensgeld (Vorstellung 12.500 EUR) in Anspruch genommen und die Feststellung seiner Ersatzpflicht für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden begehrt aus Anlass eines Unfalls am 05. Oktober 2007 am späten Nachmittag im Wald des Krankenhausberges in N. Die Klägerin stürzte von einer einsträngigen Tellerschaukel, die der Beklagte an einem ausladenden Ast eines in exponierter Lage stehenden Baumes am Rande eines nach Sturmschäden gerodeten Abhanges befestigt hatte, um dort – wie schon ein paar Tage zuvor – seine Tochter M, die damals 10-jährige Klägerin und die etwa gleichaltrige I schaukeln zu lassen. Die Klägerin erlitt eine offene Fraktur von Speiche und Elle rechts, eine geschlossene Fraktur der Speiche links jeweils mit Beeinträchtigung der Wachstumsfuge, eine Gehirnerschütterung und multiple Prellungen.

Das Landgericht hat nach Anhörung der Parteien und uneidlicher Vernehmung von I sowie dessen Ehefrau M den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von hauptsächlich 10.000 EUR verurteilt und dessen Verpflichtung festgestellt, der Klägerin für Vergangenheit und Zukunft – vorbehaltlich Forderungsüberganges – sämtliche materiellen Schäden und die weiteren immateriellen Schäden aus diesem Unfallereignis zu ersetzen.

Wegen der Einzelheiten der landgerichtlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Der Beklagte nimmt das Urteil nicht hin und erstrebt mit der Berufung die Abweisung der Klage.

Er rügt die Beweiswürdigung des Landgerichts und beanstandet die Feststellung, er habe entgegen seiner ursprünglichen Anweisung der Klägerin gestattet vom oberen Startpunkt aus ohne die angebrachte Seilsicherung zu schaukeln. Außerdem hält er die rechtliche Würdigung des Landgerichts für fehlerhaft und meint, die Frage, ob die Seilsicherung ausreichend gewesen sei, habe bei der Beurteilung des Vorwurfes einer Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht unbeantwortet bleiben dürfen, sondern bei entsprechender Antwort zu der Erkenntnis geführt, dass ihm ein Fehler nicht anzulasten sei. Auch könne ihm eine Verletzung einer Aufsichtspflicht nicht angelastet werden, weil er eine solche nicht übernommen gehabt habe. Jedenfalls aber stelle die Klägerin ein anspruchsausschließendes Eigenverschulden klaglos, weil sie sein Verbot, aus oberer Position nicht ohne Seilsicherung zu schaukeln, missachtet habe. Schließlich wendet er sich gegen die Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Vortrages im Einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat die Parteien gemäß § 141 ZPO gehört; wegen des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk zur Berufungsverhandlung Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

1.

Die Berufungsverhandlung hat die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im Wesentlichen bestätigt. Entgegen der Beweiswürdigung des Landgerichts ist allerdings nicht festzustellen, dass der Beklagte ein Schaukeln aus der oberen (von insgesamt drei) Startposition ohne Seilsicherung zugelassen hätte. Das findet in der protokollierten Aussage der Zeugin I keine Grundlage, dergleichen haben auch die Parteien bei ihrer Anhörung nicht angegeben. Außerdem ist entgegen dem landgerichtlichen Tatbestand nicht davon auszugehen, dass die Klägerin vor dem Unfall aus der oberen Startposition ungesichert los geschaukelt ist. Dazu wird auf die nachstehenden Ausführungen verwiesen.

2.

Das Landgericht hat dem Beklagten zu Recht eine schuldhafte, ...

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