Leitsatz (amtlich)

1. Um eine nach nordrhein-westfälischem Landesrecht zulässige Spontanfestnahme handelt es sich dann, wenn die Ausländerbehörde die vorläufige Festnahme des Betroffenen veranlasst, nachdem dieser längere Zeit unbekannten Aufenthalts war und sich erst im Zusammenhang mit einer Vorsprache bei dem Sozialamt wieder gemeldet hat.

2. Die Dauer der richterlich angeordneten Haft berechnet sich nach den §§ 17 FGG, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB, bei einer Bemessung nach Monaten also ohne Hinzurechnung des Tages der Verkündung der Haftanordnung.

 

Normenkette

AufenthG § 62; FEVG § 13; FGG § 17

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Beschluss vom 07.08.2006; Aktenzeichen 23 T 245/06)

AG Minden (Aktenzeichen 4 XIV 3265. B)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen der Antrag des Betroffenen, die Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung am 22.3.2005 bis zum Erlass des Haftbefehls vom gleichen Tage als unbegründet zurückgewiesen wird.

 

Gründe

1. Der Antrag des Betroffenen vom 1.2.2005 auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Ingewahrsamnahme vom Zeitpunkt der Festnahme bis zum Erlass des Haftbefehls

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und form- und fristgerecht eingelegt (§§ 27 Abs. 1, 29 FGG; 3, 7 FEVG). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Rechtmäßigkeit einer der Haftanordnung vorausgehenden behördlichen Festnahme zum Zwecke der Vorführung vor dem Haftrichter im Verfahren nach dem FEVG, und zwar mit einem an keine Form oder Frist gebundenen Antrag nach § 13 Abs. 2 FEVG (Marschner/Volkart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., § 13 FEVG Rz. 4) zur gerichtlichen Nachprüfung gestellt werden kann. Über diesen Antrag hat erstinstanzlich das AG zu entscheiden (§§ 3, 13 Abs. 2 FEVG), gegen dessen Entscheidung ist nach §§ 7 FEVG, 22, 27 FGG die sofortige und gegen die Entscheidung des LG die sofortige weitere Beschwerde zulässig (OLG Schleswig NVwZ 2003, 1412 = OLG Schleswig v. 28.4.2003 - 2 W 207/02, OLGReport Schleswig 2003, 421; OLG Braunschweig InfAuslR 2004, 166; OLG Celle InfAuslR 2004, 210; KG InfAuslR 2002, 315 = KGReport Berlin 2002, 174).

In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch unbegründet, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, §§ 27 Abs. 1 FGG, 564 ZPO.

Das LG ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Ausländerbehörde rechtmäßig verhalten hat, als sie den Betroffenen zum Zwecke der Vorführung vor dem Haftrichter festnehmen ließ. Die Befugnis der Ausländerbehörde, den Betroffenen bis zur richterlichen Entscheidung über seinen Antrag auf Anordnung von Sicherungshaft gem. § 57 AuslG vorläufig festzunehmen (und gegebenenfalls auch in Gewahrsam zu nehmen), ergibt sich, wie das LG zutreffend ausgeführt hat, in NRW aus § 24 OBG NRW i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW (OLG Köln v. 1.10.2004 - 16 Wx 195/04, OLGReport Köln 2005, 99 = NJW 2005, 3361 = JMBl NRW 2005, 34; FGPrax 2005, 275 = InfAuslR 2005, 422 = OLG Köln v. 29.6.2005 - 16 Wx 76/05, OLGReport Köln 2006, 29). Nach § 13 Abs. 1 FEVG muss bei jeder Freiheitsentziehung, die nicht auf einer richterlichen Anordnung beruht, unverzüglich die richterliche Entscheidung herbeigeführt werden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist "unverzüglich" i.S.d. § 13 Abs. 1 FEVG wie auch des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (BVerfG v. 15.5.2002 - 1 BvR 2292/00, BVerfGE 105, 239 = BVerfG v. 15.5.2002 - 2 BvR 2292/00, NJW 2002, 3161). Dass dies hier nach der Festnahme des Betroffenen nicht geschehen ist, ist nicht ersichtlich, insbesondere auch nicht vom Betroffenen geltend gemacht worden.

Der Betroffene rügt vielmehr, die Festnahme ohne vorherige richterliche Anhörung sei hier deshalb ungerechtfertigt gewesen, weil die Ausländerbehörde die Festnahme geplant und es sich nicht um eine Spontanfestnahme gehandelt habe. Die Annahme einer geplanten Festnahme durch die Ausländerbehörde, wie sie jeweils den von dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen zitierten Entscheidungen zugrunde lag (OLG Köln FGPrax 2005, a.a.O., OLG Celle InfAuslR 2004, 210 = NdsRpfl 2004, 129), lässt sich aber mit dem Akteninhalt nicht in Einklang bringen, wie LG zutreffend dargelegt hat. Denn während in den Fällen, die den zitierten Entscheidungen zugrunde lagen, der Ausländerbehörde der Aufenthalt des Ausländers einen Tag vor der Festnahme bekannt war und daher nach den Feststellungen der Gerichte vor der Festnahme ohne Weiteres eine richterliche Entscheidung hätte herbeigeführt werden können, war vorliegend der Ausländerbehörde der Aufenthalt des Betroffenen unbekannt - der Betroffene räumt selbst ein, die ihm zugewiesene Gemeinschaftsunterkunft in M verlassen zu haben und zu einem Landsmann nach C gezogen zu sein - und sie hat sich erst zur Festnahme zwecks richterlicher Anordnung der Abschiebungsha...

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