Leitsatz (amtlich)

Die Veröffentlichung eines Bildes, das eine Person öffentlichen Interesses in einer privaten Situation an einem Platz unter vielen Menschen zeigt, verletzt nicht die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre. Insoweit sind die Gerichte an die tragenden Gründe der Entscheidung des BVerfG vom 15.12.1999 (BVerfG v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, BVerfGE 101, 361 = MDR 2000, 211) gebunden.

Hinsichtlich der Frage, ob sich die abgebildete Person an einem Platz unter vielen Menschen aufgehalten hat, trifft die Presse eine erweiterte Darlegungslast. Kommt die Presse dieser Darlegungslast nicht nach, ist davon auszugehen, dass die Person in der abgebildeten Situation nicht von vielen Menschen umgeben war.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 09.12.2005; Aktenzeichen 324 O 684/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.07.2007; Aktenzeichen VI ZR 164/06)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 24, vom 9.12.2005 - Geschäftsnummer 324 O 684/05 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich des Verbotsausspruchs gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 40.000 EUR, hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

1. Mit seiner Klage hat der Kläger die Unterlassung der erneuten Veröffentlichung einer in "..." vom 21.7.2005 (Nr. 30/2005) auf S. 5 veröffentlichten Fotografie begehrt, die ihn an der Seite seiner Freundin bei einem Spaziergang in St. Tropez zeigt.

Zu den Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Mit Urteil vom 9.12.2005, auf dessen Entscheidungsgründe ebenfalls verwiesen wird, hat das LG der Unterlassungsklage stattgegeben.

Gegen dieses ihr am 19.12.2005 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 18.1.2006 eingelegten und am 13.2.2006 begründeten Berufung.

Sie rügt im Wesentlichen, dass das beanstandete Foto ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte sei. Dafür gebe es zwei Gründe: Der Kläger sei als einer der hervorragendsten Fußballspieler und als "Welttorwart" eine sog. absolute Person der Zeitgeschichte. Außerdem berichte der Artikel, den dieses Foto nebst anderen Fotos von prominenten Personen illustriere, über das Treffen vieler Prominenter in St. Tropez und damit über ein zeitgeschichtliches Ereignis.

Im Übrigen macht die Beklagte mit der Berufung geltend, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, NJW 2000, 1021 ff. = MDR 2000, 211) ein Privatsphärenschutz entfalle, wenn sich der Einzelne an Plätzen in der Öffentlichkeit unter vielen Menschen aufhalte. Bei dem beanstandeten Foto handele es sich um ein Bild, das den Kläger unter vielen Menschen zeige, während er am helllichten Tag in aller Öffentlichkeit auf der Promenade von St. Tropez spazieren gehe.

Dagegen erwidert der Kläger, er sei mit seiner Freundin allein auf dem Gehsteig gewesen, auf dem Foto sei weiter niemand zu sehen, sie seien nicht von zahlreichen Personen umgeben gewesen.

2. Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das LG hat die Beklagte zu Recht zur Unterlassung einer erneuten Veröffentlichung des beanstandeten Fotos verurteilt, weil dem Kläger insoweit ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. §§ 22, 23 KUG zusteht.

Das Berufungsvorbringen führt zu keinem anderen Ergebnis.

Dem LG ist darin zu folgen, dass offen bleiben kann, ob der Kläger eine sog. absolute Person der Zeitgeschichte ist, und dass ebenfalls dahin stehen kann, ob sein Bild einen Artikel über ein zeitgeschichtliches Ereignis illustriert; denn die Veröffentlichung verletzt rechtswidrig ein berechtigtes Interesse des Klägers i.S.d. § 23 Abs. 2 KUG. Auch der Senat sieht in der Veröffentlichung des Fotos, das den Kläger und seine Freundin bei einem Spaziergang im Urlaub zeigt, während sie sich zwar in der Öffentlichkeit, aber nicht unter vielen Menschen befinden, eine Verletzung seiner schutzwürdigen Privatsphäre.

a) Bei der Frage, in welchem Umfang einer in der Öffentlichkeit stehenden Person Schutz vor der Veröffentlichung von Bildnissen zuzubilligen ist, ist abzuwägen zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit sowie der Pressefreiheit auf der anderen Seite. Hierbei sind grundsätzlich die in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24.6.2004 (EuGHMR v. 24.6.2004 - 59320/00, NJW 2004, 2647 ff.) niedergelegten Grundsätze, die insb. den Schutzumfang von Art. 8 EMRK bestimmen, zu beachten.

Die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention beeinflussen die Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes, und zwar in der Weise, dass die Europäische Menschenrechtskonvention in der Auslegung des EGMR als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundge...

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