Normenkette

BGB § 7 Abs. 1, §§ 138, 312g, 355; FernUSG § 1 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 19.07.2023; Aktenzeichen 304 O 277/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.07.2023, Az. 304 O 277/22, abgeändert:

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 04.11.2022 mit der Nummer ... wird in Höhe eines Betrages von EUR 6.009,50 aufrechterhalten und im Übrigen aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die angefochtene Entscheidung (Vollstreckungsbescheid) ist nach Maßgabe der Ziffer 1 ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.009,50 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

Aus dem "Coaching-Vertrag" könne die Klägerin keine Ansprüche herleiten, da dieser gem. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG nichtig sei, weil es sich um einen Fernunterrichtsvertrag i.S.d. FernUSG handele, die Klägerin aber nicht über die erforderliche Zulassung gem. § 7 Abs. 1 FernUSG verfüge. Auch bei einer Vermittlung von Kenntnissen via Videokonferenz liege eine räumliche Trennung i.S.d. § 1 FernUSG vor. Lernerfolgskontrollen i.S.d. § 1 Nr. 2 FernUSG sehe der Vertrag ebenfalls vor, zumindest die Zoom-Calls mit der Gelegenheit, Fragen zu stellen, seien als solche Lernerfolgskontrollen zu qualifizieren, die Klägerin stelle gerade nicht nur reine Selbstlernmaterialien zur Verfügung. Auf die Frage, ob der Beklagte Verbraucher sei, komme es dabei nicht an.

Das Urteil wurde der Klägerin am 24.07.2023 zugestellt. Mit am 01.08.2023 eingegangenem Schriftsatz vom 01.08.2023 hat die Klägerin Berufung eingelegt und die Berufung mit am 31.08.2023 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts liege kein Fernunterrichtsvertrag i.S.d. FernUSG vor. Es fehle schon an einem Vertrag über die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, da im Vordergrund die individuelle Leistung der Klägerin im Rahmen der Unternehmensberatung zur Existenzgründung stehe. Eine standardisierte Vermittlung abstrakter theoretischer Kenntnisse finde gerade nicht statt. 40 Stunden Videomaterial stünden 144 Stunden individueller Coaching-Betreuung gegenüber.

Zudem fehle es an einer überwiegenden räumlichen Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem. Maßgeblich für das Kriterium der räumlichen Trennung sei, ob der Lernende zusätzliche Anstrengungen unternehmen müsse, um Kontakt zum Lehrenden aufzunehmen. Entscheidend sei daher, ob die Kommunikation schwerpunktmäßig zeitversetzt erfolge. Da im Rahmen der überwiegend stattfindenden Videokonferenzen stets eine direkte Kontaktaufnahme zum Lehrenden möglich sei, liege eine (überwiegende) räumliche Trennung i.S.d. FernUSG gerade nicht vor.

Es fehle auch an einer Überwachung des Lernerfolgs. Zwar habe der BGH den Begriff weit gefasst und lasse neben schriftlichen Kontrollen auch die mündliche Kontrolle (z.B. durch Frage und Antwort) während eines begleitenden Direktunterrichts ausreichen, solange der Lernende nach dem Vertrag das Recht habe, eine solche Kontrolle einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen. Beim streitgegenständlichen Vertrag habe aber der Beklagte gerade nicht das Recht, eine Kontrolle des Lernerfolgs einzufordern, da Vertragsinhalt nur eine individuelle Beratung durch die Klägerin sei.

Zu Unrecht habe das Landgericht auf eine Vernehmung des sachverständigen Zeugen G... von der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (zfu) verzichtet. Da es sich bei dem FernUSG um eine dem Landgericht offensichtlich unbekannte Norm gehandelt habe, sei entsprechend § 293 ZPO eine zumindest informatorische Anhörung gerechtfertigt. Im Rahmen einer Betriebsprüfung habe die zfu bestätigt, dass wegen der fehlenden überwiegenden räumlichen Trennung gerade keine Zulassung gem. § 12 Abs. 1 FernUSG erforderlich sei. Auf Anlage BB1 nimmt die Klägerin Bezug.

Zumindest aber sei Wertersatz nach Bereicherungsrecht zu leisten. Unstreitig habe der Beklagte über Monate hinweg über 35% des 40-stündigen Videomaterials bis zum 30.01.2023 konsumiert, vgl. Anlagen K15 und 16. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass 30% des Preises auf das Videomaterial und 70% des Preises auf das Coaching entfielen, sei im Hinblick auf die bereits gezahlten 357,- EUR zumindest Wertersatz in Höhe von 630,99 EUR zu leisten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 19.07.2023 - 304 O 277/22 den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 04.11.2022 mit der Nummer ... unter Reduzierung von EUR 357,00 aufrechtzuerhalten;

dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen aufzuerlegen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweis...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge