Entscheidungsstichwort (Thema)

"AUTOBINGOOO II"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass der Vertreiber einer Software, die in einem automatisierten Verfahren Online-Automobilbörsen in der Weise durchsucht, dass der Softwarenutzer die Verkaufsanzeigen ohne Besuch der einzelnen Online-Automobilbörsen nutzen kann, nicht das Datenbankherstellerrecht des Betreibers einer frei nutzbaren Online-Automobilbörse verletzt. Die Nutzer entnehmen weder bei der einzelnen Suchanfrage noch in der kumulativen Wirkung mehrerer Suchanfragen einen quantitativ oder qualitativ wesentlichen Teil der Datenbank (GRUR-RR 09,293 - AUTOBINGOOO I). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Entscheidung "Elektronischer Zolltarif" des BGH (GRUR 2009, 852).

2. Die automatisierte Suche läuft nicht einer normalen Auswertung der Datenbank zuwider oder beeinträchtigt die berechtigten Interessen des Betreibers der Online-Automobilbörse unzumutbar

 

Normenkette

UrhG §§ 87a, 87b

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 09.04.2009; Aktenzeichen 310 O 39/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.06.2011; Aktenzeichen I ZR 159/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg - Zivilkammer 10 - vom 9.4.2009 teilweise geändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung ihrer Rechte als Datenbankherstellerin und wegen unlauteren Wettbewerbs in Anspruch.

Die Klägerin betreibt eine u.a. unter der Internetadresse "autoscout24. de" erreichbare Automobil- Onlinebörse, in die Privatpersonen und Gewerbetreibende Verkaufsanzeigen für Kraftfahrzeuge einstellen können. Über eine Eingabemaske können Kaufinteressenten Fahrzeuge nach von ihnen eingegebenen Kriterien suchen (z.B. Marke, Modell, Kraftstoff, Preis, Leistung, Erstzulassung usw.). Das Suchergebnis enthält auch Kontaktdaten des jeweiligen Verkäufers, so dass der Kaufinteressent mit diesem unmittelbar in Verbindung treten kann.

Das Angebot der Klägerin ist im Internet frei zugänglich und kann von jedermann ohne Registrierung kostenlos genutzt werden. Unter der Website www.autoscout24.de sind auch die AGB der Klägerin aufrufbar. In § 9 Abs. 2 der AGB heißt es "Der Kunde hat im Rahmen dieser Nutzungsbedingungen das Recht, ausschließlich unter Verwendung der von AutoScout24 zur Verfügung gestellten Online-Suchmasken einzelne Datensätze auf seinem Bildschirm sichtbar zu machen und zur dauerhaften Sichtbarmachung einen Ausdruck zu fertigen. Eine automatisierte Abfrage durch Scripte o. Ä. ist nicht gestattet" (Anlage K 14). Die Nutzung des Angebots der Klägerin kann ohne vorherige Bestätigung oder Anerkennung dieser AGB erfolgen.

Die Klägerin finanziert sich insbesondere aus der Vermietung von Werbeflächen auf ihren Internetseiten und aus den Vergütungen, die Gewerbetreibende für das Einstellen von Angeboten zu zahlen haben. Für private Verkäufer ist das Einstellen von Anzeigen kostenfrei.

Die Klägerin besitzt mehrere Tochtergesellschaften in anderen Ländern, die ebenfalls unter der Bezeichnung "autoscout24" Automobil-Onlinebörsen betreiben, z.B. in Italien unter www.autoscout24.it. Sämtliche Daten der Automobil-Onlinebörsen der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaften werden von der Klägerin in einem Rechenzentrum in München verwaltet. Hierfür zahlen die Tochtergesellschaften der Klägerin eine Vergütung. Außerdem enthält die von der Klägerin verwaltete Datenbank Daten eines Kooperationspartners der Klägerin, der Allianz-Autowelt GmbH. Die Allianz-Autowelt GmbH betreibt eine Automobil-Onlinebörse unter www.allianz-autowelt.de. Angebote, die über diese Website eingestellt werden, erscheinen auch in der Automobil-Onlinebörse der Klägerin.

Die Beklagte zu 1, deren Vorstand der Beklagte zu 2 ist, bot die Software AUTOBINGOOO an und bewarb sie unter der Domain www.powermarkets.com (Anlage K 7). Mit Hilfe dieser Software können Suchanfragen bei mehreren Automobil-Onlinebörsen gleichzeitig durchgeführt werden, ohne dass diese einzeln aufgesucht werden müssen. Der Nutzer der Software wählt in einer Eingabemaske die zu durchsuchenden Börsen aus und gibt die Suchkriterien ein (z.B. Marke, Modell, Farbe, Preis usw.). Wie sich aus der persönlichen Anhörung des Beklagten zu 2 in der Berufungsverhandlung vom 7.7.2010 ergeben hat und unbestritten geblieben ist, sind für eine Suchanfrage mindestens die Kriterien "Marke" und "Modell" zu bestimmen. Sodann kann der Nutzer durch Anklicken des Symbols "Suchen" eine einmalige Suche nach dem gewünschten Fahrzeug in den verschiedenen Börsen auslösen.

Alternativ hat der Nutzer die Möglichkeit, die Option "Automatische Suche" ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge