Leitsatz (amtlich)

Eine schuldrechtliche Vertragsgestaltung, durch die einem Gesellschafter einer GmbH das Recht eingeräumt wird, den Gesellschaftsanteil eines Mitgesellschafters, der zugleich Geschäftsführer ist, bei Beendigung von dessen Organstellung durch Annahme eines unwiderruflichen Verkaufsangebotes des Mitgesellschafters zurückzuerwerben, verstößt auch dann gegen die guten Sitten und ist gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn dem Mitgesellschafter der Gesellschaftsanteil zuvor deswegen gegeben worden war, um ihn - im Rahmen eines "Geschäftsmodells" - die Stellung eines geschäftsführenden Gesellschafters zu verschaffen und ihn dadurch zur optimalen Wahrnehmung seiner Geschäftsführerstellung zu motivieren.

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 04.03.2003; Aktenzeichen 16 O 51/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.09.2005; Aktenzeichen II ZR 173/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt mit Sitz in Offenbach vom 4.3.2003 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des Betrages leistet, dessen Vollstreckung sie betreibt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Wegen der Feststellungen verweist der Senat zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 301-303 d.A.), den er wie folgt zusammenfasst und ergänzt:

Die Beklagte ist die Holdinggesellschaft, die hinter allen deutschen "A" als Mehrheitsgesellschafterin steht. Nach dem von der Beklagten gehandhabten Konzept besteht jeder einzelne der von ihr beherrschten A seinerseits in der Rechtsform einer GmbH, an der die Beklagte stets einen Mehrheitsanteil von etwa 90 % hält. Den Rest hält ein örtlicher, für das operative Geschäft zuständiger Geschäftsführer. Dessen Gesellschafterstellung bindet die Beklagte stets an die Anstellung als Geschäftsführer. Im betriebswirtschaftlichen Konzept der Beklagten spielt die Beteiligung des jeweiligen Vor-Ort-Geschäftsführers eine wesentliche Rolle als Motivierungs-Instrument: Jeder Vor-Ort-Geschäftsführer soll nach außen hin als "geschäftsführender Gesellschafter", also wie ein Unternehmer, erscheinen und sich dadurch mit "seinem" Markt besonders identifizieren. Vom wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg der örtlichen GmbH ist der örtliche Geschäftsführer dabei aber nur begrenzt berührt: Er ist vereinbarungsgemäß nur am Gewinn, nicht hingegen am Verlust der örtlichen GmbH beteiligt. Den auf ihn entfallenden Gewinnanteil erhält er infolge einer jährlichen Vollausschüttung vollständig ausgezahlt. Die örtlichen Gesellschaften sind unterkapitalisiert und nur durch Patronatserklärungen usw. der Beklagten für die laufenden umfangreichen Wareneinkäufe kreditwürdig. Die für Expansionen usw. erforderliche Wirtschaftskraft entsteht nicht durch Rücklagenbildung oder Kapitalerhöhungen bei der örtlichen Gesellschaft, sondern geschieht bei der beklagten Holding. Dieses Geschäftsmodell hat die Beklagte in Deutschland bei den ca. 270 A eingeführt; es besteht ferner bei den wirtschaftlich in derselben Hand befindlichen Märkten der Kette B.

Obwohl nach alledem die Gesellschafterstellung des örtlichen Geschäftsführers wirtschaftlich einer Gewinnbeteiligung ähnelt, erfüllen alternative Gestaltungsmöglichkeiten, etwa eine Tantiemenregelung, nach Meinung der Beklagten den Zweck der ausreichenden Motivierung des Geschäftsführers nicht.

Für den Kläger wurde dieses Geschäftsmodell wie folgt umgesetzt: Er wurde durch Dienstvertrag vom 17.9.1997 (Bd. I, Bl. 31-36 d.A.) zum Geschäftsführer der den örtlichen Markt der Beklagten in O1 tragenden A C-GmbH O1 (künftig: A O1) bestellt. Er war zwar - zusammen mit einem weiteren, von der Zentrale der Beklagten entsandten Geschäftsführer - nur gesamtvertretungsberechtigt (vgl. § 1 Nr. 3 S. 2 des Dienstvertrages), durfte aber die nach interner Zuweisung in seiner Kompetenz liegenden operativen Entscheidungen, darunter die gesamte Warenbeschaffung sowie die Personaleinstellung und -entlassung, allein treffen.

Durch notariell beurkundete Geschäftsanteilsabtretung vom 30.12.1997 erwarb der Kläger von der Beklagten einen zehnprozentigen Gesellschaftsanteil an der schon zuvor gegründeten und in das Handelsregister eingetragenen A O1 zu einem Kaufpreis in Höhe des Nominalwertes von 20.000 DM (vgl. Bl. 37 ff. d.A.); dieser Vertrag enthält unter § 9 eine "salvatorische Klausel", bezüglich deren Wortlaut auf Bl. 40 d.A. verwiesen wird. Am selben Tag wurde vor demselben Notar ein Angebot des Klägers zur Rückübertragung dieses Gesellschaftsanteils an die Beklagte beurkundet. Dieses war durch den Verlust seiner Organstellung als Geschäftsführer beim A O1 aufschiebend bedingt (vgl. Bl. 44 ff. d.A.). Auch dieses Angebot enthielt eine "salvatorische Klausel"...

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