Leitsatz (amtlich)

›Zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Bürgschaft auf erste Anforderung (hier: Einwendungen des Bürgen aus dem früheren AGBG).‹

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.02.2003; Aktenzeichen 3-10 O 174/02)

 

Gründe

I.

Die am 9.11.01 in Insolvenz gefallene H. & G. GmbH hatte von dem Kläger bzw. einer für den Kläger handelnden "M. Gesellschaft" 3 Aufträge über Dacharbeiten an der S. Neubaus der S. des Klägers in P. erhalten und ausgeführt:

5.7.95 Hauptauftrag Dachverblechung

25.7.97 Auftrag Laufgänge

13.1.98 Auftrag Leitersystem.

Allgemeine Vertragsgrundlagen waren in dieser Reihenfolge die besonderen Vertragsbedingungen (BVB) des Klägers, die VOB, Teile B und C und das Werkvertragsrecht des BGB. Die BVB sehen unter Ziffer 14.2 einen Einbehalt von der Schlussrechnung in Höhe von 5% der Bruttoabrechnungssumme für die Gewährleistungszeit (5 Jahre) vor, der gemäß Ziffer 17.3 verzinst auf ein Verwahrgeldkonto des Auftraggebers zu nehmen ist und den die Auftragnehmerin durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ablösen kann. Letzteres tat die Schuldnerin durch Bürgschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 22.7.97 in Höhe von maximal 45.000 DM für den Hauptauftrag und vom 24.8.98 in Höhe von maximal 8.172,78 DM für die Aufträge über Leitern und Laufgänge. Über Mängel der Auftragsausführung wurde ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt, in dem der gerichtlich bestellte Sachverständige die Mängelbeseitigungskosten auf 245.163,68 EURO bezifferte. Mit Anwaltsschreiben vom 26.3.02 forderte der Kläger unter Beifügung des Gutachtens von der Rechtsvorgängerin der Beklagten die Zahlung der beiden Bürgschaftssummen von zusammen 53.172,78 DM (= 27.186,81 EURO). Die Beklagte verweigerte die Zahlung, die der Kläger vorliegend im Urkundenprozess weiter verfolgt. Die Beklagte hat dem Insolvenzverwalter und ihrer Rückbürgin den Streit verkündet.

Sie verteidigt sich mit dem Argument, Ziffer 14.2 der BVB sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam. Grund für die BGH-Rechtsprechung sei nicht nur das Insolvenzrisiko des Auftraggebers, sondern der Entzug von Liquidität beim Auftragnehmer durch den Restwerklohneinbehalt, weswegen die Unwirksamkeit auch bei öffentlichen Auftraggebern gegeben sei.

Hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage durch Vorbehaltsurteil stattgegeben.

Die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da wegen der in Ziffer 17.3 BVB vorgesehenen Lagerung des Gewährleistungseinbehalts auf einem Verwahrkonto, die der VOB entspreche, die Gestellung eine Bürgschaft nicht die dem Auftragnehmer alleinig gegebene Möglichkeit und bei einem öffentlichen Auftraggeber das Bonitätsrisiko ausgeschlossen sei. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Sie führt ergänzend aus, dass der aus § 242 BGB herzuleitende Einwand der Unangemessenheit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 147, 99 = ZIP 2001, 833 = NJW 2001,1857 = MDR 2001, 1003) schon im Erstprozess über die Bürgschaft auf erstes Anfordern zulässig sei. Die vorliegende Abrede über den Gewährleistungseinbehalt sei nach § 9 Absatz 1 AGBG unwirksam (BGHZ 136, 27 = NJW 1997, 2598 = MDR 1997, 929), da die BVB keinen angemessenen Ausgleich vorsähen. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern sei kein angemessener Ausgleich. Auch zusammen mit der in Ziffer 17.3 BVB vorgesehenen alternativen Möglichkeit, 5 % der Bruttoabrechnungssumme auf einem Verwahrgeldkonto des Klägers zu belassen, sei die Regelung nicht angemessen, da dadurch dem Auftragnehmer Liquidität entzogen werde. öffentlichen Auftraggebern komme keine Sonderstellung zu, zumal der Kläger die Regelung des § 17 VOB/B, insbesondere dessen Nr. 3, abgewandelt habe. Eine Regelung entsprechend § 17 VOB/B könne der Vereinbarung des Sicherheitseinbehalts nur dann die Unangemessenheit nehmen, wenn sie insgesamt vereinbart werde.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Möglichkeit, den einbehaltenen Betrag auf einem Verwahrgeldkonto des Auftraggebers zu belassen, reiche nach der BGH-Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Sicherungsabrede aus. In den Fällen, in denen die Gerichte Unangemessenheit angenommen hätten, habe diese Wahlmöglichkeit stets gefehlt. Die in Ziffer 17.3 VOB/B vorgesehene Verwahrung sei "insolvenzfest".

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Dem Kläger steht aus den beiden Bürgschaften vom 22.7.1997 und 24.8.1998 der vom Landgericht zugesprochene Betrag gegen die Beklagte zu.

Unstreitig ist zwischen dem Kläger und...

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