Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährleistungsbürgschaft: Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

Der formularmäßig vereinbarte Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 770 Abs. 1 BGB in einer vom Unternehmer zu stellenden Gewährleistungsbürgschaft führt jedenfalls dann zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Unternehmers im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, sofern die Bürgschaft der Ablösung eines wirksam vereinbarten Sicherungseinbehalts dient.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 770 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 05.09.2019; Aktenzeichen 7 O 308/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 25.01.2022; Aktenzeichen XI ZR 255/20)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 5. September 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil sowie das Berufungsurteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Auszahlung einer Gewährleistungsbürgschaft.

Die Klägerin hatte die A GmbH mit Vertrag vom 15. Februar 2013 auf der Grundlage der Angebote vom 11. Januar 2012 und 28. Januar 2013 mit Arbeiten an einer Lüftung - Kälteanlage beauftragt. Die Werkleistung wurde am 26. November 2013 abgenommen und die Schlussrechnung vollständig bezahlt. Den zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Gewährleistungseinbehalt über 5 % der Bausumme löste die A GmbH mit Vorlage der Bürgschaft Nr. ... / ... X vom 21. Januar 2015 über 18.970,03 EUR ab. Bürge ist die Beklagte, die sich in der von der Beklagten selbst gestellten Bürgschaftsurkunde für die vertragsgemäße Erbringung der Bauarbeiten der A GmbH bis zu einem Betrag von 18.970,03 EUR verbürgte (Anlage K8). Die Beklagte verzichtete - dem von der Klägerin der A GmbH vorgeschriebenen Bürgschaftsformular EFB - Sich 2 der Finanzbauverwaltung entsprechend (Anlage B1) - auf die Einreden der Vorausklage, der Anfechtung und der Aufrechenbarkeit, wobei von dem Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen des Hauptschuldners ausgenommen waren.

Bei einer Begehung mit dem Sachverständigen B stellte die Klägerin diverse Mängel an den Leistungen der A GmbH fest, deren Beseitigung der Sachverständige unter Anrechnung von Sowieso - Kosten in Höhe von 118.000 EUR mit weiteren 405.720 EUR veranschlagte. Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 8. November 2011 unter Vorlage der Stellungnahme des Sachverständigen die A GmbH zur Mängelbeseitigung auf. Eine Mängelbeseitigung erfolgte nicht.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Auszahlung der Bürgschaftssumme. Sie hat mit ihrer am 14. Februar 2019 (Bl. 14 d. A.) zugestellten Klageschrift beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.970,03 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei die Zahlung Zug um Zug gegen Rückgabe ihrer Bürgschaft Nr. ... / ... X zu erfolgen hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Sicherungsabrede sei unwirksam, weil in der von der A GmbH zu stellenden Bürgschaft auf die Einrede der Anfechtbarkeit habe verzichtet werden müssen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der Klage stattgegeben (Bl. 49 ff. d. A.). Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch aus §§ 765, 767 BGB zu. Dem Anspruch stehe nicht die geltend gemachte Einrede gemäß §§ 821, 768 BGB entgegen, da der Ausschluss der Einrede der Anfechtbarkeit der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 95, 350, zit. nach juris Rn. 35 f.) zufolge nicht unangemessen sei. Dabei sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch kein Abrücken des Bundesgerichtshofs von seiner zitierten Rechtsprechung erkennbar.

Gegen das dem Prozessvertreter der Beklagten am 27. September 2019 (Bl. 58 d. A.) zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 18. Oktober 2019 (Bl. 61 d. A.) beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit weiterem am 18. November 2019 (Bl. 70 d. A.) eingegangenen Schriftsatz unter Wiederholung und Vertiefung ihrer bereits erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung begründet.

Die Beklagte beantragt,

das mit der Berufung angefochtene erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 05.09.2019 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Der Senat hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Zustimmung der Parteien am 6. April 2020 (Bl. 108 d. A.) das schriftliche Verfahren angeordnet, woraufhin die Beklagte no...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge