Entscheidungsstichwort (Thema)

VW-Dieselskandal: Rechtshängigkeitszinsen bei auf den Kaufpreiserstattungsanspruch anzurechnenden Nutzungsvorteilen

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berechnung der Rechtshängigkeitszinsen bei Fällen des sog. VW-Dieselskandals

 

Normenkette

BGB §§ 31, 288, 291, 826

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 26.09.2019; Aktenzeichen 3 O 386/18)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26. September 2019 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 11.221,22 zuzüglich Zinsen aus einem Betrag in Höhe von EUR 11.793,98 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäische Zentralbank für den Zeitraum vom 5. Juli 2019 bis zum 22. Juli 2020 sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von EUR 11.221,22 ab dem 23. Juli 2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges VW Tiguan mit der Fahrgestellnummer ... zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage der Klägerin abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 58,9 % der Kosten des ersten Rechtszuges und 62,0 % der Kosten des zweiten Rechtszuges und die Beklagte 41,1 % der Kosten des ersten Rechtszuges und 38,0 % der Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und von der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 1, 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg.

1. Der Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 826 BGB die Zahlung von EUR 11.221,22 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verlangen.

a. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB auf Erstattung des für den Erwerb des im Tenor genannten Fahrzeugs verauslagten Kaufpreises abzüglich eines Vorteilsausgleichs für die von ihr gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung dieses Fahrzeugs. Die Beklagte hat der Klägerin in einer im Sinne des § 826 BGB gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt (vgl. zur Herstellerhaftung aus § 826 BGB im Rahmen des sog. Abgasskandals BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1963 ff.).

Die Beklagte hat die Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug durch eine arglistige Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes - KBA - erschlichen. Dies steht wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Klägerin gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1965).

Die installierte Motorsteuerungssoftware enthielt mit der "Umschaltlogik" eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) 715/2007 (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1963 f.).

Die Beklagte hat dem KBA bei der Erlangung der (jeweiligen) Typgenehmigungen durch das Verwenden der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgespiegelt, das Fahrzeug werde auf dem Prüfstand unter den Motorbedingungen betrieben, die auch im normalen Fahrbetrieb zum Einsatz kommen, und sie hat dadurch über das Einhalten der gesetzlichen Abgaswerte getäuscht, um die Typgenehmigung auf kostengünstigem Weg zu erhalten. Die Abschalteinrichtung wurde auf der Grundlage einer strategischen unternehmerischen Entscheidung über Jahre hinweg nicht nur im Unternehmen der Beklagten selbst, sondern auch bei mehreren Tochterunternehmen in verschiedenen Fahrzeugmodellen durch aktive, im Hinblick auf dieses Ergebnis gewollte präzise Programmierung der Motorsteuerungssoftware zur Beeinflussung der Abgasrückführung in die Motorsteuerung eingebaut, wobei bei einer Entdeckung der verwendeten Software gemäß § 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte erfolgen können (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1964 f.).

Die vorgenannte arglistige Täuschung gegenüber dem KBA steht wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Klägerin als Käuferin des im Tenor genannten Fahrzeugs gleich.

Es besteht ein erhebliches Ungleichgewicht im Hinblick auf das bei den Herstellern und den Käufern der Fahrzeuge vorhandene (technische) Wissen in Bezug auf die Funktionsweise der hergestellten und vertriebenen Fahrzeuge. Arglose Käufer der bemakelten Fahrzeuge mussten daher mangels eigener Möglichkeiten, das Einhalten der entsprechenden gesetzlichen Vorgaben auch nur nachvollziehen, geschweige denn kontrollieren zu können, darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Vorgaben von der Beklagten eingehalten worden waren; gleichzeitig durften sie sich angesichts der die Beklagte nach den genannten Regelungen treffenden Pflichten u...

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