Entscheidungsstichwort (Thema)

Sequestration von rechtsverletzenden Gegenständen zur Sicherung des Vernichtungsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anordnung der Herausgabe rechtsverletzender Gegenstände zur Verwahrung an den Gerichtsvollzieher im Eilverfahren (Sequestration) setzt das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs sowie ein hinreichendes Sicherungsbedürfnis des Verletzten voraus. Bei der insoweit erforderlichen Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Senatsrechtsprechung bei Zuerkennung eines Sequestrationsanspruchs dem Verletzer die Berufung auf die Vorschrift des § 93 ZPO abgeschnitten wird. Entscheidend ist daher, wie hoch nach den Gesamtumständen die Gefahr einzuschätzen ist, dass der Verletzer nach einem Hinweis auf die Entdeckung der Verletzungshandlung versuchen wird, die Verletzungsgegenstände beiseite zu schaffen und sich dadurch dem Vernichtungsanspruch zu entziehen.

 

Normenkette

ZPO § 93

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung dazu verpflichtet, die in dem angefochtenen Beschluss unter Ziff. 1) des Tenors bezeichneten USB-Adapterstecker an einen von der Antragstellerin zu beauftragenden, örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der vorläufigen Verwahrung herauszugeben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die in der Volksrepublik China ansässige Antragstellerin stellt Elektroartikel her. Zu ihren Produkten gehört u.a. der streitgegenständliche USB-Adapterstecker, dessen Form durch das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ... geschützt ist. Der Stückpreis für einen solchen Stecker beträgt im Endkundengeschäft 7 bis 9 EUR; im Einkauf liegt er bei knapp 2 EUR. Die Antragstellerin vertreibt ihre Produkte weltweit. In Deutschland bedient sie sich der A GmbH in Stadt1 als Vertriebspartnerin.

Die Antragsgegnerin handelt mit Elektroartikeln, insbesondere Zubehörteilen für Kommunikationsgeräte und betreibt unter der Adresse www...de einen Internetshop, auf der sie u.a. die angegriffene Ausführungsform des USB-Adaptersteckers angeboten hat. Die Antragstellerin hat darin eine Verletzung ihres Gemeinschaftsgeschmacksmusters gesehen und die Antragsgegnerin ohne vorherige Abmahnung, aber nach einem Hinweis auf ein zu ihren Gunsten bestehendes "Patentrecht" im Eilverfahren auf Unterlassung, Auskunftserteilung und auf Herausgabe der nach ihrer Auffassung geschmacksmusterverletzenden Erzeugnisse an den zuständigen Gerichtsvollzieher zur Sequestration in Anspruch genommen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG dem Eilantrag auf Unterlassung und Auskunftserteilung stattgegeben. Den Sequestrationsantrag hat es mit der Begründung abgewiesen, eine Vereitelung der Sicherstellung zum Zwecke der Vernichtung sei nicht zu befürchten.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.

II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg. Dabei konnte der Senat wegen der Eilbedürftigkeit des Sequestrationsantrags auch ohne vorangegangene Abhilfeentscheidung des LG entscheiden (vgl. dazu Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 572 Rd 4 m.w.N.).

Es besteht ein Verfügungsanspruch. Der Senat teilt - auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstandes - die in dem angefochtenen Beschluss zum Ausdruck gebrachte Auffassung des LG, dass die von der Antragsgegnerin angebotenen USB-Adapterstecker von dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Antragstellerin Gebrauch machen. Gemäß Art. 17 und 89 Abs. 1 Buchstabe d) GGV i.V.m. § 43 Abs. 1 GeschmMG besteht damit grundsätzlich auch ein Anspruch auf Vernichtung der rechtsverletzenden Erzeugnisse. Die Anwendbarkeit des deutschen Geschmacksmusterrechts über Art. 89 Abs. 1 Buchstabe d) GGV ist gegeben, weil die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung in ihrem Art. 89 Abs. 1 Buchstabe b) und c) zwar die Beschlagnahme, nicht aber auch die Vernichtung rechtsverletzender Erzeugnisse vorsieht (Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Art. 89 Rd 102). Gründe, die eine Vernichtung der streitgegenständlichen USB-Adapterstecker unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit - § 43 Abs. 3 GeschmMG - ausnahmsweise entgegen stehen könnten, sind nicht ersichtlich. Bei den Adaptersteckern handelt sich um relativ einfache technische Geräte, die im Endverbraucherhandel für deutlich unter 10 EUR angeboten werden. Eine Änderung des rechtsverletzenden Gehäuses ist daher wirtschaftlich nicht sinnvoll.

An die Stelle des Vernichtungsanspruchs tritt im Eilverfahren der hier geltend gemachte Sequestrationsanspruch (vgl. dazu: Eichmann/von Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 3. Aufl., § 43 Rd 8).

Nach Auffassung des Senats besteht auch ein Verfügungsgrund für den Sequestrationsanspruch.

Dieser ist anders als der Verfügungsgrund für den Unterlassungsanspruch, der - unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 12 Abs. 2 UWG - auch im Geschmacksmusterrecht regelmäßig deshalb gegeben sein wird, weil die vo...

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