Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen einem Prozessgericht und einem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nur entsprechende Anwendung, so dass die tatsächlichen als verbindlich gewollten Unzuständigkeitserklärungen als Voraussetzung der Zuständigkeitsbestimmung ausreichen und keine erfolglose Anfechtung der jeweiligen Abgabebeschlüsse erforderlich ist. Die Beteiligten müssen lediglich formlos über den Kompetenzkonflikt informiert worden sein.

2. Die Abgabe eines Beitreibungsverfahrens gegen bei Rechtshängigkeit bereits ausgeschiedene Wohnungseigentümer vom Prozessgericht an das Gericht für Wohnungseigentumssachen nach Änderung der BGH- Rechtsprechung zur Zuständigkeit ist trotz Verletzung des Grundsatzes der perpetuatio fori bindend.

 

Normenkette

WEG § 43 Abs. 1 Nr. 1, § 46 Abs. 1; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Beschluss vom 26.10.2005; Aktenzeichen 61 UR II 19/05)

 

Tenor

Das AG Wiesbaden - Abteilung für Wohnungseigentumsverfahren - wird als das zuständige Gericht bestimmt.

 

Gründe

Die Antragsteller, damals noch vertreten durch den Verwalter, erwirkten am 25.4.2002 Mahnbescheide des AG Hünfeld wegen rückständigen Wohngeldes von 2.509,79 EUR gegen die Antragsgegner, die bei Zustellung am 3.5.2002 bereits aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeschieden waren. Nach Klageerweiterung um 14.847,48 EUR wurde das Verfahren mit Verfügung vom 9.8.2002 antragsgemäß an das LG Darmstadt- Zivilprozessabteilung- abgegeben, wo es am 15.8.2002 vorlag.

Die Antragsteller haben unter Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 26.9.2002 (BGH, Beschl. v. 26.8.2002 - V ZB 24/02, MDR 2003, 43 = BGHReport 2002, 1019 m. Anm. Riecke), durch den der BGH seine bisherige Rechtsprechung, dass für die Entscheidung über die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Gemeinschaftsverhältnis gegen vor Rechtshängigkeit ausgeschiedene Wohnungseigentümer die Zivilprozessabteilungen der ordentlichen Gerichte zuständig seien, aufgegeben und die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte bejaht hatte, die Verweisung an das damals örtlich zuständige AG - WEG - Abteilung - Hochheim - beantragt. Nach Anhörung der Antragsgegner hat sich das LG Darmstadt mit Beschl. v. 28.6.2004 (Bl. 292-295 d.A.) für unzuständig erklärt und antragsgemäß den Rechtsstreit verwiesen. Der den Verfahrensbevollmächtigten im Juli 2004 zugestellte Beschluss ist nicht angefochten worden. Das nach Auflösung des AG Hochheim nunmehr örtlich zuständige AG Wiesbaden hat sich nach Gewährung rechtlichen Gehörs für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO analog dem OLG Frankfurt zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, § 17 Abs. 1 S. 1 GVG) habe sich die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auf die bei Rechtshängigkeit begründete Zuständigkeit ausgewirkt. Da sich die Antragsgegner bereits in ihrer Stellungnahme zu dem Verweisungsantrag auf diesen Grundsatz berufen hatten, ohne dass in der Begründung des Verweisungsbeschlusses darauf eingegangen wird, komme dem Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung zu. Der Vorlagebeschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten zugestellt worden.

Das OLG Frankfurt ist als das gemeinsame obere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht berufen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Zwar setzt die Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO voraus, dass sich verschiedene Gerichte, von denen eines zuständig ist, rechtkräftig für unzuständig erklärt haben. Ob der Vorlagebeschluss, gegen den analog § 17a Abs. 4 S. 3 GVG die sofortige Beschwerde zulässig wäre (BayObLG NZM 2000, 388), angefochten worden ist, kann aber dahinstehen. Bei - wie vorliegend im WEG-Verfahren - nur entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genügt die tatsächlich als verbindlich gewollte Leugnung der eigenen Zuständigkeit, es bedarf also keiner rechtskräftigen Entscheidung darüber. Es genügt, dass die Unzuständigkeitserklärung den Beteiligten - zumindest formlos- bekannt gemacht worden ist (OLG Brandenburg v. 21.6.2000 - 1 AR 37/00, MDR 2000, 1029 = NJW-RR 2001, 429; BayObLGZ 1994, 91 [93]; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.6.2003 - 20 W 182/03; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 14; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36, Rz. 25, jeweils m.w.H.).

Als das zuständige Gericht ist das AG Wiesbaden - Wohnungseigentumsgericht - zu bestimmen.

In seinem Beschl. v. 26.9.2002 - V ZB 24/02 - (BGH, Beschl. v. 26.9.2002 - V ZB 24/02, MDR 2003, 43 = BGHReport 2002, 1019 m. Anm. Riecke = NZM 2002, 1003) hat der BGH unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte auch dann gegeben ist, wenn Ansprüche aus dem Ge...

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