Leitsatz (amtlich)

1. Verstößt das Preisanpassungsrecht des § 4 Abs. 1, Abs. 2 AVBGas bzw. § 5 Abs. 2 GasVV nach Auffassung des Gerichts nicht gegen europarechtliche Transparenzvorgaben, ist es weder zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof noch mit Blick auf die Vorlagebeschlüsse des BGH zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet.

2. Eine kumulierte Betrachtung der jeweils in einem Gaswirtschaftsjahr vorgenommenen Preisänderungen trägt dem Umstand Rechnung, dass das Versorgungsunternehmen im Zeitpunkt der Preisanpassung die Entwicklung der Bezugskosten nur prognostizieren kann und vermeidet die mit einer rein kalkulationsperiodenbezogenen Betrachtung verbundenen Risiken und Nachteile bei der Preiskalkulation.

3. Kann sich das Gericht selbst, etwa durch Zeugenvernehmung, die Überzeugung von der Billigkeit der durchgeführten Preisanpassungsmaßnahme verschaffen, bedarf es nicht noch der Einholung eines Sachverständigengutachtens, das erheblichen Zeit und Kostenaufwand verursacht.

 

Normenkette

BGB § 315; GasGVV § 5; AVBGas § 4; ZPO § 148; AEUV Art. 267

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 20.08.2009; Aktenzeichen 13 O 179/08 Kart)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.10.2015; Aktenzeichen VIII ZR 13/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Dortmund vom 20.8.2009, Aktenzeichen 13 O 179/08 Kart, abgeändert; der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR mit Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.1.2009 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin beliefert den Beklagten seit mehreren Jahren mit Erdgas. Der Beklagte bezahlte die Abschlags- und Jahresrechnungen zunächst ohne Beanstandungen. Mit Schreiben vom 17.12.2004 widersprach der Beklagte der von der Klägerin öffentlich bekannt gemachten Erhöhung der Arbeitspreise zum 1.1.2005 von Cent/kWh netto auf Cent/kWh netto (+ Cent/kWh netto) und forderte sie auf, ihm deren Erforderlichkeit und Angemessenheit durch eine Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen darzulegen. Mit Schreiben vom 23.5.2005 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er seinen Widerspruch aufrechterhalte und nur noch Zahlungen auf der Grundlage des bisherigen Preises zzgl. eines Zuschlags von 2 % leisten werde. Die Klägerin erhöhte ihre Preise nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung weitere drei Mal und zwar zum 1.10.2005 auf Cent/kWh netto (+ Cent/kWh netto), zum 1.1.2006 auf Cent/kWh netto (+ Cent/kWh netto) und zum 01.10.2006 auf Cent/kWh netto (+ Cent/kWh netto). Zum 1.3.2007 senkte sie den Preis auf Cent/kWh netto (- Cent/kWh netto). Auf die Jahresabrechnungen der Klägerin vom 22.6.2005, 23.6.2006, 22.6.2007 und 23.6.2008 zahlte der Beklagte nur entsprechend seinem Schreiben vom 29.5.2005, so dass insgesamt ein rückständiger Betrag i.H.v. EUR (2005: EUR, 2006: EUR, 2007: EUR, 2008: EUR) auflief, den die Klägerin klageweise geltend macht.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte sei im Rahmen der allgemeinen Versorgung (Grundversorgung) mit Erdgas versorgt worden. Mit den Preiserhöhungen habe sie - nicht einmal in vollem Umfang - ausschließlich die gestiegenen Bezugskosten weitergegeben. Im Zeitraum vom 1.1.2004 bis zum 1.10.2006 sei der Gaseinkaufspreis um insgesamt Cent/kWh gestiegen, während der Gasverkaufspreis lediglich um Cent/kWh erhöht worden sei. Zusätzliche Gewinne habe sie nicht erwirtschaftet. Hinsichtlich der behaupteten Entwicklung der Einkaufspreise und Verkaufspreise wird auf die tabellarische Übersicht in der Klageschrift vom 22.12.2008 (Blatt GA) verwiesen. Hinsichtlich der behaupteten Entwicklung der übrigen Kosten des Gasvertriebs wird auf die tabellarische Übersicht im Schriftsatz vom 7.4.2009 (Blatt GA) verwiesen.

Der Beklagte hat geltend gemacht, er sei im Rahmen eines Sondervertrags außerhalb der Grundversorgung mit Erdgas versorgt worden. Es sei aber kein Preisanpassungsrecht vereinbart worden. Die Vorschrift des §§ 5 Abs. 2 GasGVV sei überdies wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Die Klägerin habe die Billigkeit der Preiserhöhungen weder dargelegt noch nachgewiesen. Sie hätte ihre Preiskalkulation offen legen müssen. Der bloße Verweis auf gesteigerte Einkaufspreise sei nicht ausreichend. Die Erhöhung der Einkaufspreise werde ebenso bestritten wie die Behauptung, die Erhöhung sei nicht in vollem Umfang an die Kunden weitergegeben worden.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es könne dahinstehen, ob es sich bei dem Gaslieferungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten um einen Tarifkunden- oder um einen Normsonderkundenvertrag handele. Sowohl bei einem gesetzlich normierten als auch bei einem vertraglich vereinbarten einseitigen Lei...

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