Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage, ob DIN-Normen die Vermutung in sich tragen, allgemein anerkannte Regeln der Technik darzustellen, ist insbesondere entscheidend, welchen Regelungszweck sie verfolgen.

2. Bei sicherheitstechnischen Festlegungen in DIN-Normen dürfte eine konkrete Vermutung dafür bestehen, dass sie anerkannte Regeln der Technik sind.

3. Für die DIN 18015-2 ist diese Vermutungswirkung nicht zu erkennen, soweit sie Vorgaben zur Anzahl der zu verbauenden Elektroanschlüsse und insoweit ein bestimmtes Ausstattungsniveau vorgibt, das lediglich einen Komfortlevel beschreibt. Zwar ist für das Funktionieren notwendiger Beleuchtung oder erforderlicher Sicherheitseinrichtungen ein gewisses Grundniveau an elektrischer Ausstattung notwendig. Das in der DIN 18015-2 geregelte Niveau liegt indes weit oberhalb des Niveaus, das sicherheitstechnische Relevanz aufweist und daher als allgemein anerkannte Regel der Technik einzuhalten ist.

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 11 O 175/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.10.2021 verkündete Grundurteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf, Az. 11 O 175/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten und ihrer Streithelferin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte respektive ihre Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist ein in den Bereichen Hoch-, Ingenieur- sowie Schlüsselfertigbau bundesweit tätiges Bauunternehmen. Hierzu ist sie in verschiedene Fachabteilungen gegliedert. Sie nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Ingenieurvertrag in Anspruch. Die Beklagte ihrerseits ist eine Ingenieurgesellschaft für haustechnische Gewerke (Heizung, Lüftung, Sanitär und Elektro).

Die Klägerin beauftragte die Beklagte im Rahmen des Bauvorhabens "W..." mit den Planungsleistungen für die "Technische Gebäudeausrüstung" (TGA Planung). Dabei handelt es sich um einen Neubau von vier Mehrfamilienhäusern mit 141 Mietwohnungen und Kindertagesstätte in Düsseldorf. 40 % der Wohnungen stellen öffentlich geförderten Wohnungsbau dar, auch die übrigen Wohnungen sind "mietpreisgedämpft".

Bauherren sind die Klägerin und eine international tätige, seinerzeit unter P... GmbH firmierende, P... im Rahmen eines Zusammenschlusses (Joint Venture). Die Klägerin übergab der Beklagten vor Vertragsschluss zur Erstellung ihres Angebotes eine Baubeschreibung (B 5).

Mit Ingenieurvertrag vom 17.04.2014 beauftragte die Klägerin die Beklagte mit Leistungen in Anlehnung an die Leistungsphasen 1 bis 7 und 9 der HOAI (Stand 2013) sowie Bauüberwachungsleistungen. Als Vergütung sollte die Beklagte ein Pauschalhonorar von 279.900,00 EUR netto erhalten. Die Beklagte wiederum übertrug die Planungsleistungen für das Gewerk Elektro (KG 440/450) durch Vertrag vom 30.06.2014 an die Streithelferin.

Die Beklagte reichte die Entwurfsplanung der Leistungsphase 3 bei der Klägerin ein. Diese verweigerte zunächst die Freigabe. Die Beklagte und ihre Streithelferin überarbeiteten daraufhin ihre Planung. Die Beklagte führte im Erläuterungsbericht für die Klägerin (K 3) vom 28.11.2014 vor Darstellung der einzelnen Installationen aus: "Die Ausstattungsqualität erfolgt nach DIN 18015-2". Die Klägerin verweigerte die Freigabe erneut und brachte weitere Änderungs- bzw. Ergänzungswünsche an. Wiederum überarbeiteten die Beklagte und ihre Streithelferin die Planung, die die Klägerin dann freigab.

Die Klägerin beauftragte die Firma T... Elektroanlagen mit der Ausführung der Elektroinstallation gemäß Ausführungsplanung. Während der Bauausführung stellte der Kaufinteressent die Unterschreitung der Vorgaben der DIN 18015-2 fest und verlangte deren Einhaltung. Die Klägerin forderte die Beklagte daraufhin im Rahmen einer Mängelanzeige zur Anpassung der Ausführungsplanung an die Anforderungen der DIN 18015-2 auf, woraufhin diese mit E-Mail vom 08.09.2016 eine an den Mindeststandard angepasste Überarbeitung der Planung übersandte unter Hinweis darauf, dass die Anordnung der elektrischen Bauteile bereits zum Vorentwurf vorgegeben worden sei und mit der Klägerin explizit jede Anschlussdose in Stückzahl und Lage abgestimmt gewesen sei (B18).

Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die TGA-Planung der Beklagten sei mangelhaft gewesen, da diese - insoweit unstreitig - die Mindestanforderungen der DIN 18015-2 nicht gewahrt habe. Hierzu hat die Klägerin behauptet, sie habe keine Abweichung von der DIN 18015-2 nach unten gewünscht; eine solche sei ihr auch nicht bewusst gewesen.

Die Beklagte habe sie - unstreitig - nicht auf die Unterschreitung dieses Mindeststa...

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