Tenor

Der Antrag der Antragsgegnerin auf vorzeitige Gestattung des Zuschlags wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin schrieb mit EU-Bekanntmachung im November 2009 Rohbauarbeiten für den Neubau einer Radsatzhalle im Offenen Verfahren aus. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Unter 5.2 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes hieß es:

Nebenangebote sind für folgende Teilleistungen (Positionen)/Fachlose (Gewerke)/Gesamtleistung zugelassen:

Alle, wenn die Gleichwertigkeit zu den ausgeschriebenen Positionen nachgewiesen werden kann

Nebenangebote müssen die im Formblatt Mindestanforderungen an Nebenangebote EG 226EG genannten Mindestanforderungen erfüllen.

Unter 1.5 der Vorbemerkungen zur Leistungsbeschreibung hieß es:

Dem Bieter ist es freigestellt, zusätzlich zu der ausgeschriebenen Konstruktion alternativ-Vorschläge in Form eines Nebenangebotes auszuarbeiten. Dabei ist die Gleichwertigkeit der angebotenen mit der vorgegebenen Konstruktion durch Detailzeichnungen, vergleichbaren statischen Wert, Muster und Systemprüfzeugnisse nachzuweisen. Gleichwertige Konstruktionen müssen sich auf die folgenden Merkmale beziehen: Konstruktionstiefe, Befestigung an den tragenden Bauteilen, Einbaumöglichkeit der Fenster- und Toranlagen.

Position 4.1.110 war wie folgt beschrieben:

Leitbeschreibung Austauschboden liefern verteilen Körnungsstoff 0/45 mm Liefern und Verteilen von Körnungsstoffen zur Bodenverbesserung/-verfestigung, lagenweise dv≪=0,3m Verdichten und Nachweis der erreichten Verdichtung in separater Position

17300 t

UB 1 Unterbeschreibung Füllboden 0/45mm Füllboden geeignet für den Einbau unterhalb von Bodenplatten und Fundamenten, verdichtungsfähiger Austauschboden, Natursteinschotter 0/45mm mit gleichmäßiger Kornabstufung

Bis zum Abgabetermin am 14. Januar 2010 gaben u.a. die Antragstellerin und die Beigeladene Haupt- und als "Nebenangebot" bezeichnete weitere Angebote ab. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, das "Nebenangebot" der Beigeladenen als das preiswerteste zu bezuschlagen, welches Schotter aus Recyclingmaterial vorsieht.

Dagegen hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag eingereicht.

Die Vergabekammer hat es der Antragsgegnerin untersagt, auf eines der eingereichten Angebote den Zuschlag zu erteilen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Zulassung von Nebenangeboten sei vergaberechtswidrig, weil die maßgebliche EU-Richtlinie Varianten nicht zulasse, wenn der Preis alleiniges Zuschlagskriterium sei. Die Antragstellerin sei mit dieser Rüge auch nicht präkludiert. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Antragstellerin oder auch andere Bieter ein besseres Hauptangebot eingereicht hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass Nebenangebote unzulässig waren, hat die Vergabekammer ein Verbot der Zuschlagserteilung ohne vorherige Möglichkeit für die Bieter, neue Angebote einzureichen, für notwendig gehalten.

Die Antragstellerin hat dagegen Beschwerde eingereicht mit der Begründung, zur Beseitigung des Vergaberechtsverstoßes reiche es aus, die Nebenangebote von der Wertung auszuschließen. Die Antragsgegnerin meint in ihrer Beschwerde, das Vergabenachprüfungsverfahren sei unzulässig, die Antragstellerin sei mit ihren Rügen präkludiert. Zudem handele es sich bei dem "Nebenangebot" der Beigeladenen, auf das sie den Zuschlag erteilen wolle, in der Sache nicht um ein Nebenangebot, weil es sich im Rahmen der Leistungsbeschreibung halte. Auch gehe die Anordnung der Vergabekammer zu weit.

Verbunden mit ihrer Beschwerde hat die Antragsgegnerin einen Antrag auf Gestattung des vorzeitigen Zuschlages nach § 121 GWB gestellt. Zur Begründung führt sie aus, der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin habe keinen Erfolg, zudem träfen sie bei einer Verzögerung des Bauvorhabens erhebliche Nachteile.

Die Antragstellerin ist dem Antrag entgegen getreten.

Die Beigeladene hat keine Stellungnahme abgegeben.

II.

Der Antrag der Antragsgegnerin gemäß § 121 GWB hat keinen Erfolg.

1.

Die Antragsgegnerin darf aufgrund des bisherigen Vergabeverfahrens den Zuschlag nicht, wie von ihr beabsichtigt, auf das "Nebenangebot" der Beigeladenen erteilen.

a) Nebenangebote waren trotz Nr. 5.2 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes unzulässig, weil der Preis einziges Zuschlagskriterium ist. Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17/EG lässt in einer derartigen Situation Varianten (in der deutschen Terminologie Nebenangebote) nicht zu (vgl. Eggert, Das europäische Vergaberecht, Rdnr. 1258).

Auch wenn § 8 Abs. 1 SektVO die Voraussetzung, dass Zuschlagskriterium die Wirtschaftlichkeit des Angebotes und nicht allein der Preis sein müsse, nicht ausdrücklich nennt (möglicherweise vor dem Hintergrund, dass § 97 Abs. 5 GWB, § 25 Abs. 1 SektVO lediglich die Wirtschaftlichkeit als Zuschlagskriterium kennt, wobei jedoch diese Vorschriften im Sinne einer Zulassung auch des Preises als einzigem Zuschlagskriterium richtlinienkonform auszulegen sind, vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 05.12.2008 - 1 - Verg 9/08; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.01.2009, VII-Verg 59...

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