Leitsatz (amtlich)

1. Außer reinen Beschaffenheitsfehlern der Mietsache können auch behördliche Beschränkungen und Gebrauchshindernisse die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben oder mindern, dass sie einen Mangel i.S.v. § 536 BGB begründen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die behördlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden.

2. Ausgangspunkt der Auslegung eines Mietvertrages gemäß §§ 133, 157 BGB ist der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille. Zu berücksichtigen ist dabei aber auch und vor allem die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck, weswegen eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung geboten ist, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt, welches die Nichtigkeit vermeidet.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 5 O 1186/22)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 11.11.2022 (5 O 1186/22) durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses. Sie sollte zur Vermeidung weiterer Kosten die Möglichkeit einer Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Verhandlungstermin am 19.04.2023 wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem inzwischen beendeten Mietverhältnis über Gewerberäume im Objekt F... 00 in D... auf Zahlung rückständiger Miete in Anspruch.

Mit Vertrag vom 24.06.2009 (Anlage K 1) vermietete B... R... an die BBW S... gGmbH im ersten und zweiten OG des Hofgebäudes auf dem Grundstück F... 00 in D... gelegene Gewerberäume. Das Mietverhältnis begann am 01.08.2009, lief auf unbestimmte Zeit und konnte von jedem Vertragspartner mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende gekündigt werden. Die Beschreibung der Mieträume erfolgte in § 1 des Mietvertrages wie folgt: "Vermietet wird in 00000 D..., F... 00, Hofgebäude, eine Werkstatt mit einer Fläche von 264,5 m2 und anteilig 5,0 m2 für die vorhandene Toilette/Dusche zum Betreiben einer Werkstatt für Elektro-, Holz-, Metallverarbeitung und IT-Werkstatt für das Berufliche Trainingszentrum Dresden." Die monatliche Bruttomiete betrug aufgrund der Ergänzungsvereinbarung vom 01./15.06.2015 (Anlage K 2) ab dem 01.01.2017 2.331,98 EUR.

Die Klägerin auf Vermieterseite und die Beklagte auf Mieterseite traten jeweils zu einem späteren Zeitpunkt anstelle des jeweiligen Vertragspartners in das Mietverhältnis ein.

Die Beklagte betrieb im Mietobjekt ein berufliches Trainingszentrum, in dem sie berufliche Weiterbildungen u. a. im Bereich der Elektro-, Holz- und Metallverarbeitung durchführte.

Im Rahmen einer Brandverhütungsschau Anfang 2020 stellte das Bauaufsichtsamt der Landeshauptstadt Dresden fest, dass sich die Nutzung der Mieträume durch die Beklagte nicht im Rahmen der bestehenden Baugenehmigung halte und zudem brandschutzrechtliche Mängel bestünden, weil die Räume nicht über einen zweiten Rettungsweg verfügten. Die Klägerin erhielt eine entsprechende bauaufsichtliche Mitteilung der Landeshauptstadt Dresden vom 18.02.2020 (Anlage K 5). Die Klägerin kündigte gegenüber der Bauaufsicht der Landeshauptstadt Dresden an, eine bauliche Lösung des brandschutztechnischen Problems erarbeiten und diese der Bauaufsicht vorlegen zu wollen, ergriff aber gleichwohl keine entsprechenden baulichen Maßnahmen. Mit seinem Schreiben vom 04.11.2020 (Anlage B 4) teilte das Bauaufsichtsamt der Landeshauptstadt Dresden der Klägerin unter Bezugnahme auf die Mitteilung vom 18.02.2020 mit, aufgrund der brandschutztechnischen Mängel, des Fehlens des zweiten Rettungsweges, bestehe eine konkrete Gefahrenlage für die Nutzer der Räume, weswegen beabsichtigt sei, die Nutzung der im Hofgebäude auf dem Grundstück Friedrichstraße 31 in Dresden gelegenen Mieträume zu untersagen. Nachdem eine Abhilfe durch bauliche Maßnahmen nicht erfolgt war, ordnete das Bauaufsichtsamt der Landeshauptstadt Dresden mit Bescheid vom 01.04.2021 (Anlage B 2) gegenüber der Beklagten die Nutzungsuntersagung für die von der Beklagten angemieteten Räume und den Sofortvollzug dieser Maßnahme an.

Die Beklagte kündigte daraufhin mit Schreiben vom 30.06.2021 (Anlage B 1) das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2021. Die Klägerin akzeptierte die ordentliche Kündigung zum 31.12.2021, wies aber die außerordentliche und fristlose Kündigung zurück. Die Beklagte räumte das Mieto...

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