Leitsatz (amtlich)

1. Zur Erfüllung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Verkehrssicherungspflichten ist es den Wohnungseigentümern auch möglich, im Wege eines Mehrheitsbeschlusses ein Betretungs- und Nutzungsverbot bezüglich des im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudes oder einzelner Gebäudeteile auszusprechen, wenn und soweit eine vom Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums ausgehende Gefährdung von Personen auf andere Weise nicht effektiv abgewendet werden kann.

2. Für die Frage, ob ein Gebäude i. S. des § 22 IV WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung zu mehr als der Hälfte zerstört ist, kommt es nicht auf die Ursache der Zerstörung an, so dass die Vorschrift auch Fälle der Überalterung oder unterlassener Instandhaltung und Instandsetzung des Gebäudes erfasst.

 

Verfahrensgang

AG Augsburg (Urteil vom 24.05.2017; Aktenzeichen 31 C 4282/16 WEG)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.10.2021; Aktenzeichen V ZR 225/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 24.05.2017, Az. 31 C 4282/16 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a. Der in der Wohnungseigentümerversammlung vom 25.10.2016 zu TOP 10 gefasste Beschluss wird in Ziffer IV, 1. Absatz sowie in Ziffer IV, 2. Absatz, Satz 2 insoweit für ungültig erklärt, als es dort heißt:

„und auch ein für die Standsicherheit hinzugezogener Sachverständiger für Statik (zugelassen in Bayern) bestätigt, dass weiterhin im Hinblick auf die Standsicherheit keine Bedenken gegen die Nutzung der Ebenen 1 und 2 des Parkhauses und die Durchfahrt über die Ebene 3 zur Nutzung dieser Ebenen bestehen.” (Ziffer IV, 1. Absatz)

und

„sowie eines Prüfsachverständigen für Statik” (Ziffer IV, 2. Absatz, Satz 2)

b. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

c. Von den Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz tragen die Klägerin 3/4 und die Beklagten 1/4.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 3/4 und die Beklagten 1/4.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Augsburg ist im Kostenpunkt, soweit es nicht abgeändert wurde, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i. H. von 110 % des vollstreckbaren Betrages aus diesem und dem in Ziffer 1 genannten Urteil des Amtsgerichts Augsburg abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i. H. von 110 % des vollstreckbaren Betrages aus diesem und dem in Ziffer 1 genannten Urteil des Amtsgerichts Augsburg abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien sind die Mitglieder der WEG …. Das gemeinschaftliche Grundstück ist mit einem Parkhaus bebaut, welches über 11 Ebenen verfügt, die in ihrer Höhenlage um ein halbes Geschoss gegeneinander versetzt sind. In den Ebenen 1 bis 9 befinden sich Pkw-Stellplätze. Die Klägerin, die Eigentümerin eines neben dem gemeinschaftlichen Grundstück gelegenen Hotels ist, ist Inhaberin des mit Teilungserklärung vom 20.12.2000 gebildeten Miteigentumsanteils von 61/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan der Stadt A. vom 21.11.2000 mit Abgeschlossenheitsbescheinigung mit Ziffer 1 (Ebene 1 bis 3 und die in diesen Ebenen gelegenen Nebenräume) bezeichneten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage 2 vorgelegte Ablichtung der Teilungserklärung vom 20.12.2000 verwiesen. Die Teilungserklärung wurde durch mehrerer Nachträge abgeändert, mit denen das dort gebildete Teileigentum Nr. 2 (Ebene 4 bis 11 und die in diesen Ebenen liegenden Nebenräume), welches über einen Miteigentumsanteil von 939/1000 verfügte, in weitere Sondereigentumseinheiten unterteilt wurde. Die Beklagten zu 2) und 3) sind dabei Eigentümer von Einheiten, die zusammen über Miteigentumsanteile von rund 75 % verfügen. Die Beklagten zu 2) und 3) gehören zur selben Unternehmensgruppe und haben dieselbe Komplementärin. Die Klägerin hat das Hotel sowie die in ihrem Sondereigentum stehenden Parkebenen des Parkhauses (im Folgenden auch bezeichnet als Hotelparkhaus) als einheitlichen Gewerbebetrieb vermietet. Aufgrund eines in der Eigentümerversammlung vom 15.10.2013 mehrheitlich gefassten Beschlusses, werden die Parkplätze in den Ebenen 4 bis 9 des Parkhauses seit Ende des Jahres 2013 nicht mehr genutzt.

Nachdem die Stadt A. durch den Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu 1) und 2) mit einer E-Mail vom 03.10.2016 (vorgelegt als Anlage 11) auf mögliche Mängel beim Brandschutz des Parkhauses hingewiesen worden war, kam es am 12.10.2016 zu einer Ortsbegehung der Ebenen 1 bis 3 des Parkhauses durch Mitarbeiter des Bauordnungsamtes s...

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