Leitsatz (amtlich)

Eine lediglich das Musizieren beschränkende Regelung über Ruhezeiten in einer Hausordnung ist unzulässig.

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Urteil vom 12.08.2016; Aktenzeichen 92 C 5475/15 (81))

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.12.2018; Aktenzeichen 2 StR 291/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 12.08.2016 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als dort der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 08.12.2015 durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt worden ist.

Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 4.000,– Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien, welche eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden, streiten seit Jahren um Regelungen zum Umfang des zulässigen Musizierens in der Hausordnung.

Ziffer 6 der Hausordnung enthält bislang folgenden Text:

„Lärmen, lautes Betreiben von Tonanlagen und Türschlagen sind zu vermeiden. Unbedingte Ruhe ist von 13.00 bis 15.00 Uhr sowie von 20.00 bis 7.00 Uhr einzuhalten. Beim Betreiben von Tonanlagen und Geräten dürfen Mitbewohner nicht beeinträchtigt werden.”

Die Ergänzung dieses Punktes der Hausordnung um einen Satz betreffend das Musizieren und vor allem das Klavierspielen, denn die Klägerin zu 2 ist eine ausgebildete Pianistin und Klavierlehrerin, war wiederholt Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, in welchen insoweit stets Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung über Begrenzungen der Musizierzeiten für ungültig erklärt worden sind.

In der Versammlung vom 08.12.2015 wurde die Hausordnung mehrheitlich wie folgt um einen Satz 4 ergänzt:

„Musizieren und Klavierspielen ist nur an Werktagen Montags bis Freitags von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 15.00 bis 19.00 Uhr und Samstag von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 15.00 bis 17.00 Uhr zulässig; die Musizieren- und Klavierspielzeit ist täglich auf zwei Stunden begrenzt”.

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Kläger mit der Anfechtungsklage, mit der sie zugleich begehren den Beschluss durch eine gerichtliche Entscheidung dahingehend zu ersetzen, dass die Musikspielzeiten an Werktagen von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 15.00 bis 20.00 Uhr, Samstag von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr, Sonn- und Feiertags von 10.00 bis 12.00 Uhr und von 15.00 bis 18.00 Uhr festgeschrieben werden und die Musik- und Klavierspielzeiten täglich auf zwei Stunden begrenzt werden.

Die Klage hatte in der ersten Instanz Erfolg. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter verfolgen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Soweit sich die Berufung gegen die Ungültigerklärung des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 08.12.2015 wendet, mit welchem die Hausordnung um die Regelung zum Musizieren und Klavierspielen ergänzt worden ist, so hat die Berufung insoweit keinen Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht insoweit den Beschluss für ungültig erklärt. Dabei kommt es allerdings nicht auf die im Mittelpunkt dieses Rechtsstreits stehende Frage an, in welchem zeitlichen Umfang das Musizieren in einer Wohnung als sozialübliches Nutzungsverhalten hinzunehmen ist und ab wann die Einschränkung der Zeiten des Musizierens einem faktischen Musizierverbot gleichkommt. Insoweit kommt es auch nicht auf die zwischen den Parteien heftig umstrittene Frage an, wann gewöhnlich ein Berufstätiger im Regelfall in seiner Wohnung anzutreffen ist und insoweit musizierbereit ist.

Denn der gefasste Beschluss zur Ergänzung der Hausordnung entspricht bereits deshalb nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil der Beschluss sich ausschließlich auf das Musizieren und Klavierspielen beschränkt und dieses von anderen lärmintensiven Tätigkeiten abgrenzt und einschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 1998, 3713) ist eine Regelung in einer Hausordnung über die Lautstärkeregelungen allerdings dann unwirksam, wenn sie verschiedene Geräuschquellen in Bezug auf Ruhezeiten unzulässigerweise unterschiedlich behandelt. Wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, macht es vom Schutzzweck der Anordnung einer Ruhezeit keinen Unterschied, ob der Mitbewohner in der Ruhezeit durch die Ausübung oder das Anhören von vokaler oder instrumentaler Musik bzw. durch andere Lärmquellen gestört wird. Eine entsprechende Ungleichbehandlung ist nicht von dem der Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Beschlussfassung zuständigen Ermessensspielraum gedeckt, so dass das Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht soweit geht, durch Mehrheitsbeschluss einzelne Störer gegenüber anderen ohne sachlichen Grund zu bevorzugen (BGH a.a.O.).

Eine derartige Ungleichbehandlung liegt aber vorliegend – worauf die Kläger innerhalb der Klagebegründungsfrist die Anfechtungsklage ausdrücklich gestützt haben – alle...

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