Leitsatz (amtlich)

1. Das Insolvenzgericht kann durch eine Zwischenentscheidung (§ 303 ZPO, § 4 InsO) die Unwirksamkeit einer Erledigungserklärung des antragstellenden Gläubigers feststellen. Gegen die Entscheidung steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

2. Die Erledigungserklärung eines antragstellenden Gläubigers, der trotz einer vom Insolvenzgericht angeordneten Verfügungsbeschränkung eine Zahlung des Schuldners angenommen hat, ohne dass er hinreichenden Grund zu der Annahme hat, die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sei entfallen, ist wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam und damit prozessual unbeachtlich.

3. Der Gläubiger darf in dieser Situation eine später als inkongruente Deckung anfechtbare Leistung zurückweisen.

 

Normenkette

InsO §§ 1, 4, 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2 Nr. 2, § 24 Abs. 1; ZPO §§ 91a, 303

 

Verfahrensgang

AG Duisburg (Beschluss vom 17.09.2008; Aktenzeichen 64 IN 153/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 17.09.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Schuldnerin auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 2000,– EUR.

 

Tatbestand

I.

Mit einem am 28.07.2008 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag beantragte die Gläubigerin (ein Sozialversicherungsträger) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Zur Begründung führte sie aus, dass sie aus dem Zeitraum vom 01.08.2006 bis zum 31.08.2007 eine Forderung in Höhe von 2 040,92 EUR gegenüber der Schuldnerin habe. Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Schuldnerin seien erfolglos geblieben, so dass davon auszugehen sei, dass die Forderung durch die Schuldnerin nicht beglichen werden könne.

Mit Beschluss vom 30.07.2008 bestellte das Amtsgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete zur Sicherung der Masse einen Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO an. Mit der Übersendung dieses Beschlusses an die Gläubigerin wies das Amtsgericht zusätzlich darauf hin, dass die Antragstellerin verpflichtet sei, Zahlungen aus dem schuldnerischen Vermögen einschließlich zuzurechnender Kreditmittel und Einlagen Dritter, die ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters geleistet würden, an den Insolvenzverwalter weiterzuleiten.

Nachdem die Schuldnerin am 20.08.2008 die rückständigen Beträge an die Gläubigerin zahlte, erklärte diese mit Schreiben vom 21.08.2008 den Insolvenzantrag für erledigt.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17.09.2008 stellte das Amtsgericht fest, dass die Erledigungserklärung der Gläubigerin unwirksam und das Eröffnungsverfahren fortzusetzen sei. Zur Begründung führte es aus, dass die Erledigungserklärung der Gläubigerin rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich sei. Diese habe allein aufgrund der Zahlung der Schuldnerin nicht davon ausgehen können, dass die von ihr selbst geltend gemachte Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin entfallen sei. Über die einmalige Zahlung der Schuldnerin hinaus habe aber weder die Gläubigerin noch die Schuldnerin selbst konkret dargetan, dass eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin vorgelegen bzw. im Zeitpunkt der Zahlung nicht mehr bestanden habe.

Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 02.10.2008, mit der sie geltend macht, dass aufgrund der Rücknahme des Antrages durch die Gläubigerin das Verfahren beendet sei. Die Zahlung sei im Übrigen aus dem Privatvermögen der Gesellschafterin der Schuldnerin erfolgt und deshalb ohne Verstoß gegen die Auflagen des Sicherungsbeschlusses wirksam durchgeführt. Zudem habe die Schuldnerin hinreichende Sicherheiten angeboten, die eine Fortführung des Verfahrens entbehrlich machten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde der Schuldnerin hat in der Sache keinen Erfolg und ist deshalb zurückzuweisen. Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Erledigungserklärung der Gläubigerin vom 21.08.2008 unwirksam ist.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 4 InsO, §§ 303, 280 Abs. 2 ZPO analog statthaft und im Übrigen zulässig.

Die angefochtene Entscheidung stellt eine nach § 4 InsO, § 303 ZPO analog zulässige Zwischenentscheidung im Eröffnungsverfahren dar. Nach zutreffender Auffassung findet § 303 ZPO entsprechende Anwendung auch in Beschlussverfahren, insbesondere soweit dort über die Zulässigkeit einer Beschwerde gestritten wird (vgl. OLG Düsseldorf OLGZ 1979, 454). Aber auch für den Fall, dass sich im Beschwerdeverfahren ein Zwischenstreit über die Erledigung des Verfahrens ergibt und die Erledigung nicht festgestellt werden kann, ist durch Beschluss über diesen Zwischenstreit in entsprechender Anwendung des § 303 ZPO zu entscheiden (vgl. BGH NJW 1967, 2116 [2117] im Verfahren nach dem PatG). Dabei ist allerdings für den Fall, dass eine Erledigung festzustellen ist, eine Endentscheidung zu treffen, weil hier für eine Zwischenentscheidung nach § 303 ZPO kein Raum verbleibt (so BGH NJW 1996, 3345 [3346]).§ 303 ZPO ist dabei insbesondere auch in Verfahren anwendbar, in denen keine obligatorische mündliche Verhandlung vorgesehen u...

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