Entscheidungsstichwort (Thema)

Aktiengesellschaft. Hauptversammlung. Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats. Unvollkommener Prüfbericht. Verstoß gegen Kontroll- und Informationspflicht. Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses. Bericht über Ausschließung des Bezugsrechts bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals. Mitteilung mit der Einberufung der Hauptversammlung. Schutz der Aktionäre vor Übervorteilung und Überrumpelung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Beschlussfassung in einer Hauptversammlung einer AG über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats ist nichtig, wenn der Aufsichtsrat die ihm nach § 314 AktG obliegenden Kontrollpflichten bezüglich eines Abhängigkeitsberichts über die Beziehungen der AG zu den verbundenen Unternehmen nicht ausreichend wahrgenommen hat.

2. Ein Beschluss betreffend die Schaffung eines genehmigten Kapitals ist nichtig, wenn in der Hauptversammlung einer AG zwar ein Bericht des Vorstands zum Bezugsrechtsauschluss bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals vorgelegen hat, der Bericht aber weder vor der Einladung zur Hauptversammlung in den Geschäftsräumen ausgelegen hat noch mit der Einladung an die Aktionäre verschickt wurde. Das besondere Schutzbedürfnis der Aktionäre vor Übervorteilung und Überrumpelung nach § 186 Abs. 4 S. 2 AktG erfordert, dass ihnen zumindest der wesentliche Inhalt des Berichts bereits in der Einladung zur Hauptversammlung bekannt gemacht wird.

 

Normenkette

AktG § 243 Abs. 1, § 314 Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 3-4, §§ 312, 171 Abs. 2, § 202 Abs. 2 S. 2, § 186 Abs. 4, § 124 Abs. 1, 2 S. 2, § 175 Abs. 2 Sätze 2, 1

 

Tenor

1.

Der mit der erforderlichen Mehrheit der Hauptversammlung gefasste Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 01.07.2004 zu Punkt 4. der Tagesordnung, der angekündigt war wie folgt:

„4. Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, den Mitgliedern des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2003/2004 Entlastung zu erteilen.”

wird für nichtig erklärt.

2.

Der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 01.07.2004 zu Punkt 6.4 der Tagesordnung betreffend ein Genehmigtes Kapital, der angekündigt war wie folgt

„6.4.

Für die Ausweitung der Geschäftsaktivitäten und dem Erwerb weiterer Immobilien wird eine Verstärkung der Eigenkapitalbasis erforderlich. Daher wird vorgeschlagen, die Schaffung eines genehmigten Kapitals zu beschließen, bei der neben Stammaktien auch stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben werden können, um alle Möglichkeiten des Kapitalmarktes zu nutzen und den unterschiedlichen Interessen von Aktionären entgegenzukommen.

Im Rahmen der Kapitalerhöhung kann es erforderlich oder sinnvoll sein, das Bezugsrecht der Aktionäre ganz oder teilweise auszuschließen. Von diesem Bezugsrechtsausschluss wird nur im gesetzlich zulässigen Rahmen Gebrauch gemacht. Der Vorstand wird in einem Bericht an die Hauptversammlung die Gründe und den Ausgabebetrag erläutern. Vorstand und Aufsichtsrat schlagen daher vor, folgenden § 2.4 in die Satzung einzufügen und zu beschließen:

2.4 Genehmigtes Kapital, Kapitalerhöhungen

2.4.1

Der Vorstand ist ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats bis zum 1. Juli 2009 das eingetragene Grundkapital der Gesellschaft um höchstens EUR 2.200.000,00 (in Worten: Euro zwei Millionen zweihunderttausend) durch ein- oder mehrmalige Ausgabe von Stamm- oder Stimmrechtslosen Vorzugsaktien gegen Bar- oder Sacheinlagen zu erhöhen. Hierbei kann das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen werden

  1. zum Ausgleich von Spitzenbeträgen;
  2. zur Gewährung von Bezugsrechten an Inhaber von zu begebenden Options-, Wandelschuldverschreibungen oder Wandelgenussrechten;
  3. um Aktien als Belegschaftsaktien an Arbeitnehmer der Gesellschaft auszugeben, insoweit jedoch begrenzt auf EUR 440.000,00;
  4. zur Gewinnung von Sacheinlagen, insbesondere in Form von Unternehmen oder Unternehmensteilen;
  5. zur Erschließung neuer Kapitalmärkte durch Aktienplatzierung, insbesondere auch im Ausland;
  6. wenn bei Kapitalerhöhungen gegen Bareinlage der Ausgabepreis der Aktien den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet, insoweit jedoch begrenzt auf EUR 440.000,00.

2.4.2

Über den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe entscheidet der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates. Hierbei besteht die Ermächtigung, Stammaktien und/oder auch stimmrechtslose Vorzugsaktien zu begeben, deren Einzelheiten, insbesondere auch die Höhe der Vorzugsdividende bei Vorzugsaktien, der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats festlegt. Auch wenn die Kapitalerhöhung in mehreren Stufen erfolgt, können Vorzugsaktien in einer späteren Stufe ausgegeben werden, die solchen einer vorangegangenen Stufe vorgehen oder gleichgestellt werden.

2.4.3

„Bei Ausgabe neuer Aktien kann der Beginn des Gewinnbezugsrechts abweichend von § 60 AktG festgesetzt werden”

und den die Hauptversammlung antragsgemäß beschloss,

wird zu Ziffer 2.4.1 mit seinem Satz 2 (beginnend mit: „Hierbei kann das Bezugsrecht der Aktionäre ...

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