Leitsatz (amtlich)

1. Der im Sinne des § 575 Abs. 1 BGB wohl noch ausreichend bestimmte Befristungsgrund „Komplettumbau der Wohnung und Zusammenlegung mit der Nachbarwohnung” kann nicht dahin ausgelegt werden, dass der Vermieter zwei selbständige Bauvorhaben habe skizzieren wollen, die jeweils für sich die Befristung rechtfertigen könnten. Die unbestimmte Angabe „Komplettumbau” der Wohnung ist für eine wirksame Mietvertragsbefristung ungenügend; denn die Vorsilbe „Komplett” vor dem Wort „Umbau” lässt zwar die Wertung des Vermieters erkennen, dass eine umfassende Umgestaltung der Wohnung angestrebt sei, ermöglicht dem Mieter aber mangels konkreter Angabe der geplanten Baumaßnahmen keine eigene informierte Abschätzung, ob diese Maßnahmen die Beendung des Mietverhältnisses erfordern und rechtfertigen können.

(Anschluss BGH – VIII ZR 182/06 –, Urt. v. 18.04.2007, Rn. 22)

2. Eine Befristung nach § 575 BGB ist nur zulässig, „wenn der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages die ernsthafte Absicht hat, das Mietobjekt einer der in § 575 BGB bezeichneten Verwendungen zuzuführen.” Ob dies der Fall war, kann und muss in einem späteren Räumungsrechtsstreit selbstverständlich überprüft werden, sodass der Vermieter zu Inhalt und Stand seiner Planungen im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages vortragen muss. Der Umstand, dass der Vermieter aktuell Baumaßnahmen plant, die sich als „Komplettumbau” der Wohnung umschreiben lassen, lässt einen Rückschluss auf seine konkreten Pläne und ernsthaften Absichten im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses offensichtlich nicht zu.

(Anschluss BGH – VIII ZR 182/06 –, Urt. v. 18.04.2007, Rn. 24 m. w. N.)

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 27.01.2023; Aktenzeichen 220 C 84/22)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. Januar 2023 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 220 C 40/23 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ab sofort ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagten vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auch für die Berufungsinstanz auf bis zu 13.000,00 EUR (12 × 945,24 EUR; Jahresnettokaltmiete) festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin nimmt beide Beklagte auf Räumung der ihnen mit Mietvertrag vom 21. April 2015 vermieteten Wohnung in Anspruch. Der Mietvertrag sieht eine Befristung des Mietverhältnisses bis zum 1. April 2022 vor. Als Befristungsgrund ist angegeben: „Komplettumbau der Wohnung und Zusammenlegung mit der Nachbarwohnung.” Am 15. März 2022 vereinbarten die Parteien in einem Mietvertragsnachtrag, dass das Mietverhältnis unter Beibehaltung des Befristungsgrundes bis zum 30. Juni 2022 verlängert werde.

Eine Zusammenlegung der Wohnung mit einer Nachbarwohnung ist nicht realisierbar, da diese unbefristet vermietet sind; die Klägerin strebt einen solchen Umbau auch nicht an. Sie beabsichtigt statt dessen, den Grundriss der Wohnung zu verändern und unter anderem die Küche innerhalb der Wohnung zu verlegen, um einen großen Wohn- und Essbereich zu schaffen. Die Parteien streiten darüber, ob die Befristung des Mietverhältnisses wirksam vereinbart wurde und das Mietverhältnis beendet ist.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der im ersten Rechtszug zur Entscheidung gestellten Anträge wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, das der Klägerin am 30. Januar 2023 zugestellt worden ist. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 21. Februar 2023 bei Gericht eingegangenen und am 28. März 2023 begründeten Berufung. Sie rügt, das Amtsgericht habe übersetzte Anforderungen an die nach § 575 BGB zu fordernde Individualisierung und Konkretisierung eines Befristungsgrundes gestellt. Da sich der aktuell geplante Umbau der Wohnung ohne weiteres als „Komplettumbau” begreifen lasse, bestehe der ursprünglich angegebene Befristungsgrund im Kern fort und sei nicht weggefallen; die im Mietvertrag enthaltene Formulierung umfasse tatsächlich zwei jeweils für sich hinreichende Befristungsgründe, von denen nur einer – nämlich die beabsichtigte Zusammenlegung der Wohnung mit einer Nachbarwohnung – weggefallen sei. Der Klägerin sei im Übrigen nicht zuzumuten, zu Inhalt und Stand ihrer Planungen im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages näher vorzutragen oder gar Beweis anzutreten; es müsse ausreichen, wenn dem Mieter das Vorliegen des Befristungsgrundes bei Auslaufen der Befristung nachgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die von ihnen im Hause der Klägerin in der ...straße ..., 1... Berlin, innegehaltene Wohnräumlichkeiten im 2. OG Mitte, bestehend aus 3 Zimmern, Küche mit Einbauten, Flur, Wannenbad, B...

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