Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufklärungspflicht eines Mietinteressenten

 

Normenkette

BGB §§ 985, 986 Abs. 1 S. 1, § 123 Abs. 1 Var. 1, § 142 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 14.10.2008; Aktenzeichen 29 O 143/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.08.2010; Aktenzeichen XII ZR 123/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.10.2008 verkündete Urteil des LG Berlin zu 29 O 143/08 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Räumung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 38.000 EUR und im Übrigen durch Sicherheitsleistung i.H.v. 11.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 14.10.2008 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des LG Berlin, auf das verwiesen wird.

Die Beklagte führt unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Begründung ihrer Berufung aus:

Es werde nicht bestritten, dass in dem Ladengeschäft seit dem 1.2.2008 nahezu ausschließlich das vollständige Warensortiment der von der ... GmbH vertriebenen Modemarke "..." vertrieben werde. Am 1.2.2008 - unmittelbar nach der Eröffnung - habe die Klägerin ggü. dem Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses ... erklärt, dass sie den Mietvertrag mit der Beklagten nicht beenden werde (Beweis: Zeugnis ...). Vertreter der Klägerin hätten am selben Tag ggü. dem Journalisten ... vom "..." erklärt: "Solange die ihre Miete zahlen, werden wir sie nicht rausschmeißen" (Beweis: Zeugnis ...). Hiervon habe sie erstmals zufällig am 4.11.2008 anlässlich einer Internetrecherche eines ihrer Mitarbeiter auf der Internetseite "..." erfahren (Beweis: Zeugnis ...). Deshalb habe sie erstinstanzlich hierzu nicht vortragen können.

Etwaiger Protest verlaufe erst seit der offiziellen Erklärung der Klägerin, dass sie den Räumungsrechtsstreit gegen die Beklagte betreibe, nahezu friedlich. Die Anfechtungserklärung werde nicht bestritten.

Das LG habe materielles Recht verletzt und keine richtige und vollständige Tatsachenfeststellung durchgeführt. Es unterstelle ohne jede Begründung und ohne Berücksichtigung des Bestreitens der Beklagten, dass die Klägerin dann den Mietvertrag mit der Beklagten nicht abgeschlossen hätte, wenn die Beklagte im Vorfeld der Vertragsverhandlungen erklärt hätte, dass sie beabsichtige, Textilien der Marke "..." zu veräußern. Das LG hätte wegen des Nichtabschlusses des Mietvertrages den klägerischen Beweisantritten nachgehen müssen. Die Erwägung des LG, nach allgemeiner Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass die Klägerin in Kenntnis des Warensortiments den Mietvertrag nicht abgeschlossen hätte, sei unzulässig, da damit die volle Darlegungs- und Beweislast der Klägerin verkannt werde. Das LG stelle eine eigene Wertung über tatsächliche Feststellungen betreffend die Anfechtungsberechtigung. Es bedürfe regelmäßig der Beweiserhebung zu inneren Tatsachen, da anderenfalls der Begriff der arglistigen Täuschung faktisch ausgehöhlt würde. Gerade wegen der genannten Äußerungen sei eine anderweitige Entscheidung außerordentlich fraglich. In Anfechtungsfällen seien die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins nicht anwendbar, weil es zur Frage, aus welcher inneren Einstellung ein Mensch gehandelt habe, keine typischen Geschehensläufe gebe und die Frage in der Regel nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden könne. Auch wegen des wirtschaftlichen Vermarktungszwangs wäre es zum Abschluss eines Mietvertrages gekommen. Der Verkauf der Marke "..." habe für die Klägerin keine massiven wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen. Die Klägerin habe die Marke nicht gekannt und sei auch nicht gewillt gewesen, Informationen hierüber einzuholen. Sie hätte auch bei Kenntnis den Vertrag aus rein monetären Interessen abgeschlossen. Trotz ausdrücklicher Nennung der Marke seien in Hamburg, Erfurt, Nürnberg, Essen, Halle, Dessau und Magdeburg Mietverträge über Ladengeschäfte abgeschlossen worden.

Das LG habe keine Feststellungen zum Bewusstsein der Beklagten dafür, dass der von ihr erregte Irrtum für die Entschließung der Klägerin ursächlich sein könne, getroffen. Die Klägerin trage auch hierfür die volle Darlegungs- und Beweislast. Es fehle bereits an Vortrag der Klägerin hierzu. Der Geschäftsführer der Beklagten habe gewusst, dass der Marke "..." in Teilen der Öffentlichkeit eine Affinität zu rechtem Gedankengut nachgesagt werde. Vorsorglich werde bestritten, dass die Beklagte in den Vertragsverhandlungen mit der Klägerin die Marke "..." nur deshalb nicht erwähnt habe, weil ihr klar gewesen sei, dass die Klägerin mit ihr dann keinen Mietvertrag abschließe. Das LG habe auch keine Feststellungen dazu getroffen, weshalb für die Beklagte erkennbar gewesen sein solle, dass es der Klägerin wichtig sei, welche Marken verkauft würden.

Die Verletzung von Mitteilungspflichten setze eine Nachfrage der Klägerin, welche Modemark...

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