Leitsatz (amtlich)

1. Weil sich die Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltet, stellt eine Information, auch soweit sie personenbezogen ist, einen Teil der sozialen Realität dar, die nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann.

2. Die namentliche Nennung einer Person wie auch deren Abbildung ist einwilligungslos dann zulässig, wenn für die Mitteilung über die Person (z.B. im Rahmen eines gegen sie geführten Strafverfahrens) ein berechtigtes, in der Sache begründetes Interesse besteht.

3. Ein Verstoß gegen eine sitzungspolizeiliche Verpixelungsanordnung führt nicht automatisch zu einem Veröffentlichungsverbot wegen überwiegend berechtigter Interessen des Betroffenen nach § 23 Abs. 2 KUG. Vielmehr bedarf es auch hier einer Abwägung im Einzelfall.

4. Ein Überwiegen des Resozialisierungsinteresses eines Straftäters gegenüber einer Berichterstattung ab dem Moment der Strafmaßentscheidung kommt auch nicht deshalb zwingend in Betracht, weil keine Haft anzutreten ist.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 27.08.2009; Aktenzeichen 27 O 670/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. August 2009 - 27.O.670/09 - abgeändert, die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 2. Juli 2009 aufgehoben und der Antrag auf deren Erlass zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung einer Veröffentlichung eines (gepixelten) Fotos des Antragstellers in Anspruch, welches zum einen im Rahmen einer Berichterstattung im "B#### K###" vom 18. Juni 2009, zum anderen in einem Artikel im Internetangebot der Antragsgegnerin verwendet worden ist. Beide Artikel berichteten über den Termin im gegen den Antragsteller gerichteten Strafverfahren, in dem die Plädoyers gehalten worden sind.

Während des Strafverfahrens waren Fotoaufnahmen durch sitzungspolizeiliche Verfügungen des zuständigen Vorsitzenden eingeschränkt. Die Verbreitung von Fotos, die den Angeklagten identifizierend abbildeten, war untersagt.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin antragsgemäß durch einstweilige Verfügung die weitere Verbreitung des Fotos untersagt und die Verfügung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin durch Urteil bestätigt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Mittlerweile ist das Urteil des Landgerichts Berlin, durch welches der Antragsteller u.a. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt worden ist, rechtskräftig.

Im Übrigen wird gemäß § 313 a Absatz 1 in Verbindung mit § 540 Absatz 2 ZPO von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen sowie etwaiger Änderungen oder Ergänzungen abgesehen.

II. Dem Antragsteller steht bezüglich des im landgerichtlichen Urteil auf Seite 3 wiedergegebenen, im "B#### K###" sowie auf der Internetseite der Antragsgegnerin http://www.b#####.de/###################### verbreiteten Fotos des Antragstellers ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 Absatz 2 BGB (analog), §§ 22 f. KUG, Art. 1, Art. 2 Absatz 1 GG nicht zu. Die angegriffene Berichterstattung verletzt den Antragsteller nicht rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie sein Recht am eigenen Bild.

1. Die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichungen beurteilt sich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (vgl. nur BGH NJW 2009, 1499).

Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder veröffentlicht werden. An einer solchen Einwilligung des Antragstellers fehlt es vorliegend. Unstreitig wollte der Antragsteller nicht fotografiert werden. Für eine Einwilligung ist auch nichts vorgetragen.

Dies allein macht die Veröffentlichung des Fotos des Antragstellers im Rahmen der Berichterstattung der Antragsgegnerin jedoch nicht unzulässig. Denn gemäß § 23 Absatz 1 Ziff. 1 KUG dürfen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung verbreitet werden, es sei denn, die Verbreitung verletzt gemäß § 23 Absatz 2 KUG ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten. Allein der Umstand, dass der Antragsteller Fotoaufnahmen widersprochen hat, führt noch nicht zur Rechtswidrigkeit der Bildnisveröffentlichung.

Zulässig war die Veröffentlichung des von der Antragsgegnerin verwendeten Fotos, wenn es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und die Veröffentlichung berechtigte Interessen des Antragstellers nicht verletzte (§ 23 Abs. 2 KUG).

2. Bei dem vom Antragsteller beanstandeten Foto handelt es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Absatz 1 Ziff. 1 KUG).

Nach der neueren Rechtsprechung des BGH erfordert bereits die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Absatz 1 Nr. 1 KUG vorliegen, ein...

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