Leitsatz (amtlich)

Hat der Schuldner nur die Wahl, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende Vollziehungsperson zu dulden, liegt keine Rechtshandlung i.S.v. § 129 InsO vor.

Eine Rechtshandlung i.S.v. § 129 InsO kann nicht darin gesehen werden, dass der Schuldner nicht auf einer richterlichen Anordnung nach §§ 758, 758a ZPO besteht.

Beschafft sich der Schuldner Barmittel, die einem beliebigen Gläubigerzugriff zur Verfügung stehen, ist ein Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, nicht zu vermuten.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 13.01.2009; Aktenzeichen 21 O 295/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.02.2011; Aktenzeichen IX ZR 213/09)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.1.2009 verkündete Urteil des LG Berlin - 21 O 295/08 - wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.1.2009 verkündete Urteil des LG Berlin - 21 O 295/08 - teilweise geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den bereits zuerkannten Betrag hinaus weitere 2.841 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger zu 48 % und der Beklagte zu 52 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger geht gegen das Land B.im Wege der Insolvenzanfechtung vor.

Das LG Berlin hat der Klage mit Urteil vom 13.1.2009, auf das wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 ZPO verwiesen wird, überwiegend stattgegeben. Zur Begründung führte es aus: Die Insolvenzschuldnerin sei zwar seit August 2004 zahlungsunfähig gewesen, § 17 Abs. 2 InsO. Für den Zeitraum vom 15.2.2006 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens greife daher der Anspruch des Klägers in Höhe der geltend gemachten 106.285,20 EUR nach § 130 Abs. 1, Abs. 2 InsO durch. Für den Zeitraum 6.1.2005 bis 2.2.2006 stünden dem Kläger anstelle der geforderten 180.414,17 EUR allerdings aus § 133 Abs. 1 InsO nur 45.042,14 EUR zu. Hinsichtlich der weiter geltend gemachten Forderungen fehle es an einer Rechtshandlung. Vom Kläger geltend gemachte außergerichtliche Kosten für die Tätigkeit seines Anwalts seien auch nicht ersatzfähig.

Hiergegen wenden sich die Parteien. Die Teilberufung des Klägers gegen das ihm am 21.1.2009 zugestellte Urteil des LG Berlin ist beim KG am 19.2.2009 eingegangen. Der Kläger hat seine Berufung mit am 20.3.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Berufung des Beklagten gegen das ihm am 27.2.2009 zugestellte Urteil des LG Berlin ist beim KG am 19.2.2009 eingegangen. Der Beklagte hat seine Berufung nach Verlängerung bis zum 17.4.2009 mit am 17.4.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger nimmt das landgerichtliche Urteil hin, soweit es wegen Pfändungen i.H.v. 72.124,83 EUR seine Klage abweist. Er greift es aber an, soweit die Insolvenzschulderin anwesenden Vollstreckungsbeamten des Beklagten am 2.6.2005, 7.6.2005, 10.6.2005, 5.8.2005 und 10.10.2005 zur Abwendung der Vollstreckung insgesamt einen Betrag von 63.247,20 EUR aus der Kasse gab. Die Insolvenzschuldnerin habe, um diese Zahlungen zu ermöglichen, Mittel aus bestehenden Guthaben abgehoben und in die Kasse eingelegt. Ziel der Insolvenzschuldnerin sei es gewesen, Vollstreckungsgläubiger bedienen zu können.

Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Berlin vom 13.1.2009 - 21 O 295/08, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn über die durch das angegriffene Urteil bereits zuerkannten 151.327,34 EUR hinaus weitere 63.247,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.9.2006 und 2.841 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte hält weiterhin dafür, dass der Kläger eine Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin nicht dargelegt und bewiesen habe.

Er beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des LG Berlin vom 13.1.2009 - 21 O 295/08, abzuändern und die Klage abzuweisen.

II. Berufung des Klägers

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers hat ganz überwiegend keinen Erfolg. Mit dem LG ist davon auszugehen, dass es - soweit das Urteil angegriffen ist - jedenfalls an einer angreifbaren Rechtshandlung fehlt (1). Allerdings sind die Rechtsverfolgungskosten des Klägers erstattungsfähig (2).

1. Rechtshandlung i.S.d. §§ 129 ff. InsO ist jede bewusste Willensbetätigung, die eine rechtliche Wirkung auslöst, gleichgültig ob diese selbst gewollt ist oder nicht. Diese Voraussetzung ist z.B. zu bejahen, wenn der Schuldner zur Abwendung einer ihm angedrohten, demnächst zu erwartenden Vollstreckung leistet (BGH v. 10.2.2005 - IX ZR 211/02, NJW 2005, 1121 [1123]; BGH v. 2...

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