Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung des Persönlichkeitsrechts bereits durch die Anfertigung eines Bildnisses durch Journalisten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Abgesehen von den Fällen der Verletzung der Intimsphäre bzw. der Menschenwürde sowie der Bildniserschleichung liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts bereits durch die Anfertigung eines Bildnisses durch Journalisten jedenfalls dann vor, wenn auch eine Verbreitung des Bildnisses in jedem nur denkbaren Kontext unzulässig wäre.

2. Fotoaufnahmen, die den tätlichen Angriff eines Prominenten auf einen Paparazzo abbilden, können zwar Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Satz 2 KUG) darstellen, das daran bestehende Berichterstattungsinteresse kann jedoch im Rahmen der Abwägung gem. § 23 Abs. 2 KUG nicht durchgreifen, wenn das vorangegangene Fertigen von Bildaufnahmen den Betroffenen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt hatte, die Journalisten durch diesen rechtswidrigen Eingriff die Tätlichkeit des Betroffenen maßgeblich mitverursacht und erst provoziert hatten und weder das Verhalten des Betroffenen als Reaktion auf diesen rechtswidrigen Eingriff noch die Folgen der Tätlichkeit besonderes schwerwiegend waren.

 

Normenkette

BGB analog §§ 823, 1004 Abs. 2; GG Art. 1, 2 Abs. 1; KUG § 23

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 17.08.2006; Aktenzeichen 27 O 419/06)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des LG Berlin vom 17.8.2006 (27. O. 419/06) wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung des Tenors zu 2. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung i.H.v. 1.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen ist das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 70.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung eines Fernsehbeitrages in der von der Beklagten am ...November 2//ausgestrahlten Sendung des Magazins "B." sowie auf Freistellung von Rechtsverfolgungskosten in Anspruch. Der Beitrag zeigt den Kläger, wie er sich Journalisten gegenüber gegen Bildaufnahmen zur Wehr setzt.

Das LG Berlin hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der Beklagten ist das Urteil des LG vom 17.8.2006 am 28.8.2006 zugestellt worden. Mit ihrer am 28.9.2006 eingelegten und am 30.10.2006, einem Montag, begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihre Klageabweisungsanträge weiter.

Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte bestreitet eine "Verfolgungs- bzw. Belagerungssituation".

Sie meint, es habe ein öffentliches Interesse i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an dem persönlichen Schicksal des Klägers nach dessen Trennung von seiner Ehefrau bestanden. Darüber hinaus habe auch der tätliche Angriff des Klägers auf den Beklagten zu 2) sowohl als strafbare Handlung als auch als emotionaler Ausbruch im Zusammenhang mit der Trennungssituation ein öffentliches Berichterstattungsinteresse begründet. Das LG habe keine Abwägung gem. § 23 Abs. 2 KUG vorgenommen. Der Kläger sei nicht in seiner Privatsphäre verletzt, weil die Aufnahmen auf einer öffentlichen Straße gefertigt worden seien. Weder sei die Berichterstattung ehrenrührig, noch seien die Aufnahmen unter Beeinträchtigung von Rechten des Klägers erfolgt.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des LG Berlin vom 17.8.2006 (Aktenzeichen: 27. O. 419/06) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 Abs. 2 BGB (analog), Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu, weil die angegriffene Berichterstattung den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht rechtswidrig verletzt.

A. Einer einwilligungslosen (§ 22 KUG) Verbreitung der am ...November 2.. gefertigten Bildaufnahmen standen trotz des Charakters der Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Satz 2 KUG) berechtigte Interessen des Klägers entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG).

1. Bildnisse einer Person dürfen nach § 22 KUG grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden.

Eine Einwilligung des Klägers war vorliegend nicht gegeben.

Auch eine mutmaßliche Einwilligung lag nicht vor. Soweit die Beklagte meint, es liege keine Missachtung des Widerspruchs des Klägers vor, weil die Journalisten wegen des wenige Tage zuvor erfolgten Interviews des Klägers und seiner Ehefrau mit der B.-Zeitung über die Trennung des Ehepaares von einem Einverständnis des Klägers hätten ausgehen können, ist dies unzutreffend. Der Kläger hat - unstreitig - gegen die Aufnahmen protestiert.

2. Allerdings handelte es sich bei den Bildnissen um solche aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Satz 2 KUG).

Sowohl die Trennung des Klägers von dessen Ehefrau als auch der tätliche Angriff des Klägers auf ...

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